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“Tone Poet”-Serie – Jazz aus der Vogelperspektive

Während Trompeter Donald Byrd auf “Byrd’s Eye View” seinen brillanten Einstand als Solokünstler gab, präsentierte sich Vibraphonist Bobby Hutcherson auf “Total Eclipse” erstmals mit dem seelenverwandten Tenorsaxofonisten Harold Land.
JazzEcho-Plattenteller: Bobby Hutcherson "Total Eclipse" / Donald Byrd "Byrd's Eye View" (Blue Note Tone Poet Vinyl)
JazzEcho-Plattenteller: Bobby Hutcherson "Total Eclipse" / Donald Byrd "Byrd's Eye View" (Blue Note Tone Poet Vinyl)
30.04.2024
Diese LPs und weitere Folgen aus der Tone Poet-Serie finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
 
Donald Byrd: Byrd’s Eye View
Nur wenige andere Produzenten haben die Rock- und Popgeschichte in den 1960er Jahren so sehr geprägt wie Tom Wilson (1931–1978). Dem aus Waco/Texas stammenden Harvard-Absolventen verdankt die Musikwelt bahnbrechende frühe Alben von u.a. Bob Dylan, den Mothers Of Invention, Simon & Garfunkel und Velvet Underground. Als musikalischer Visionär hatte sich Wilson allerdings auch schon davor erwiesen. Zwischen 1955 und 1957 produzierte er für sein leider nur kurzlebiges eigenes Label Transition Records die allerersten Soloaufnahmen von späteren Jazzikonen wie Sun Ra, Cecil Taylor und Donald Byrd. Letzter befand sich gerade auf dem Sprung, Kenny Dorham als Trompeter bei den Jazz Messengers abzulösen, als Wilson ihn sein Debütalbum “Byrd’s Eye View” aufnehmen ließ.
Tatsächlich könnte man das Album, das am 2. Dezember 1955 (genau eine Woche vor Byrds 23. Geburtstag) aufgenommen wurde, auch als das erste Studioalbum der Jazz Messengers bezeichnen. Denn begleitet wurde Byrd bei dieser durchweg fantastischen Hardbop-Session von vier Mitgliedern der damaligen Jazz Messengers: Art Blakey, Horace Silver, Hank Mobley und Doug Watkins. Dazu gesellte sich als zweiter Trompeter bei vier Nummern noch Joe Gordon. Der etwas improvisierte Charakter dieser historischen Session, die im Studio vor eingeladenem kleinen Publikum stattfand, spiegelt sich auch im Repertoire wider, das neben Charles GreenleesEl Sino” und dem Frank-Sinatra-Standard “Everything Happens To Me”  drei Originale von Mobley und Watkins bot, die humorig-trocken aus dem Stegreif schlicht “Hank’s Tune”, “Hank’s Other Tune” und “Doug’s Blues” betitelt worden waren.
 
Bobby Hutcherson: Total Eclipse 
Es ist gut möglich, dass es diese großartige Aufnahme nie gegeben hätte, wenn sich Bobby Hutcherson 1967 nicht die Dummheit geleistet hätte, sich von der Polizei mit einem Joint erwischen zu lassen. Das hatte zur Folge, dass er seine Kabarettkarte (die damals für Auftritte in New York benötigt wurde) und auch seine Taxifahrer-Lizenz verlor. Auf diese Weise seiner Existenzgrundlage “beraubt”, sah sich der in Kalifornien aufgewachsene Vibraphonist gezwungen, nach Los Angeles zurückzugehen, um dort Arbeit zu finden. Und traf dabei auf den Tenorsaxophonisten Harold Land (der einst Mitglied des legendären Clifford Brown/Max Roach Quintet gewesen war), der ihn vom Fleck weg für seine Band engagierte. Es sollte der Auftakt zu einer lange währenden musikalischen Partner- und Freundschaft sein.
Die erste gemeinsame Aufnahme (der noch neun weitere folgten, sechs unter Hutchersons Namen und drei unter Lands) war 1968 das Album “Total Eclipse”, das außerdem Chick Corea am Klavier, Reggie Johnson am Bass und Joe Chambers am Schlagzeug featurte. “Lands runder, widerhallender Ton bildet einen schönen Kontrast zu dem kühlen, intellektuellen Post-Bop von ‘Total Eclipse’”, meint Steve Huey in seiner Rezension für AllMusic. “Insgesamt ist das Album ein Vorbote für Hutchersons Abkehr von seinen explizit avantgardistischen Neigungen hin zu einem immer noch fortschrittlichen, aber strukturierteren modernistischen Rahmen.”
 
In der “Tone Poet”-Reihe präsentiert der Jazz- und Audiospezialist Joe Harley von Music Matters und AudioQuest auf audiophilem Vinyl Reissues ausgewählte Blue-Note-Werke von den größten und originellsten Klangpoeten des Jazz.
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