Sonny Rollins | News | Ein Saxofon-Koloss in Höchstform

“Einige kultige Jazzalben wirken unwahrscheinlich, so als ob sie es geschafft hätten, durch die Filter des Zufalls zu schlüpfen”, schreibt Nate Chinen in seinem Essay zur neuen Deluxe-Edition von Sonny Rollins’ “A Night At The Village Vanguard: The Complete Masters”. “Andere wirken unausweichlich, wie die Erfüllung eines kosmischen Dekrets. Einige wenige schaffen es, beide Eindrücke auf einmal zu vermitteln. Das ist der Fall bei dem Album ‘A Night At The Village Vanguard’, das in Gesprächen über die besten Aufnahmen aller Zeiten zu Recht immer genannt wird. Es ist weder ein sorgfältig geplantes Konzeptalbum noch ein flammendes Manifest, sondern ein Dokument mit der saloppen Nonchalance einer freien und unbeschwerten Unterhaltung, die man auf der Straße belauscht. Es ist ein Stück musikalischer Vérité, das einen wahren Meister der Form an einem guten Tag in großzügiger und heiterer Stimmung einfängt.”

Das am 3. November 1957 entstandene Album ist tatsächlich gleich im doppelten Sinne von historischer Bedeutung. Zum einen war es das erste Live-Album des Tenorsaxofonisten, der sich mit seinen atem(be)raubenden und schier unendlich ideenreichen Improvisationen den Ehrentitel “Saxophone Colossus” erwarb. Zum anderen war es auch das erste Jazzkonzert, das in dem legendären New Yorker Club, der übrigens im kommenden Jahr seinen 90. Geburtstag feiert, für ein Album aufgezeichnet wurde. Nun erscheint in der “Tone Poets”-Serie unter dem Titel “A Night At The Village Vanguard: The Complete Masters” eine erweiterte 3-LP-Edition dieses absoluten Meisterwerks von Sonny Rollins, das 1958 ursprünglich als Einzel-LP mit nur sechs Tracks veröffentlicht worden war. Zu hören ist Rollins hier mit zwei exzellenten pianolosen Trios.

Das kürzere Set am Nachmittag, von dem nur zwei Nummern mitgeschnitten wurden, bestritt er mit Donald Bailey am Bass und Pete LaRoca am Schlagzeug, das beinahe zwei Stunden umfassende abendliche Programm dann mit dem Bassisten Wilbur Ware und Drummer Elvin Jones. “Ich war damals bei allem, was ich tat, mit solcher Leidenschaft bei der Sache”, meint Rollins rückblickend. “Ich war ein junger Kerl. Musik zu machen war mir das Wichtigste. Das Einzige, woran ich dachte, war: Spaß zu haben und die musikalische Stimmung richtig hinzubekommen… Ich weiß, dass es eine gute Platte war und ich war total glücklich, mit diesen Jungs zu spielen: Elvin und, natürlich, Wilbur Ware. Alles passte einfach perfekt zusammen.”

Für diese Deluxe-Edition (die auch als Doppel-CD und digital erhältlich ist) wurden sämtliche Aufnahmen erstmals überhaupt von den Originalbändern gemastert. Die drei LPs stecken in einem edlen Tip-On-Trifold-Cover und verfügen über ein Booklet mit nie zuvor publizierten Fotos von Francis Wolff, Essays der bekannten Jazzkritiker Nate Chinen und Bob Blumenthal, einem Auszug aus der Rollins-Biographie “Saxophone Colossus” von Aidan Levy und der Transkription eines Gesprächs, das Blue-Note-Präsident Don Was erst vor kurzem mit dem seit zehn Jahren im Ruhestand lebenden Rollins geführt hat.

In der “Tone Poet”-Reihe präsentiert der Jazz- und Audiospezialist Joe Harley von Music Matters und AudioQuest auf audiophilem Vinyl Reissues ausgewählte Blue-Note-Werke von den größten und originellsten Klangpoeten des Jazz.