Als Ambrose Akinmusire in den 1980er Jahren in Oakland erste musikalische Erfahrungen sammelte, tobte in der Jazzszene gerade ein epischer Kampf der Titanen. Auf der einen Seite befanden sich Wynton Marsalis, der selbsternannte Gralshüter der Jazztradition, und weitere “Young Lions”, auf der anderen Seite Miles Davis und Lester Bowie, zwei Musiker, die immer wieder mit den Konventionen des Jazz brachen. Die verbalen Schlagabtausche zwischen beiden Lagern waren ebenso giftig wie – für Außenstehende – unterhaltsam. “Mit Wyntons Technik und meiner Intelligenz hätte ich einer der Allergrößten sein können”, lautete eine der harmlosesten Bemerkungen Lester Bowies. Dass eines Tages ein Musiker auftauchen würde, der die Qualitäten aller drei Streithähne in sich vereinen würde, hätte sich damals wohl niemand vorstellen können. Doch Ambrose Akinmusire gelingt diese Quadratur des Kreises. Und den Beweis dafür liefert er nun mit seinem zweiten Blue-Note-Album “the imagined savior is far easier to paint”.
Akinmusire kombiniert in seinem Spiel eine schier atemberaubende Bandbreite unterschiedlicher Einflüsse. In seinem unter die Haut gehenden Balladenspiel hört man mal Miles Davis, mal Clifford Brown als Rollenmodell heraus. Das Erbe Dizzy Gillespies manifestiert sich in virtuos-rasanten Post-Bop-Improvisationen. Dann wiederum klingt Akinmusire mit growligen oder abgerissenen Tönen, als wäre er vom wiederauferstandenen Geist des 1999 verstorbenen Lester Bowie beseelt. Aber der 31-Jährige ist nicht zuletzt auch ein brillanter Techniker wie Wynton Marsalis. All dies macht ihn zum wohl komplettesten und flexibelsten Trompeter des zeitgenössischen Jazz. Auf “the imagined savior is far easier to paint” verwischt er nicht nur die Grenzlinien zwischen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Jazz, sondern wagt sich – mit Gästen wie den Vokalisten Becca Stevens, Theo Bleckmann und Cold Specks, Gitarrist Charles Altura und dem OSSO String Quartet – auch auf das Terrain moderner Klassik oder experimentiert mit progressiver Popmusik und Spoken-Word-Beiträgen. Die Jazz-Avantgarde hat in Ambrose Akinmusire endlich wieder ein Zugpferd, das auch ein breiteres Publikum anspricht.