Die Sängerin Maria Pia De Vito besitzt zweifellos eine der schillerndsten und vielseitigsten Stimmen des italienischen Jazz. Die als Opernsängerin ausgebildete Neapolitanerin startete ihre Karriere mit 16 Jahren in Gruppen, die Inspiration aus der Folklore des Mittelmeerraums und vom Balkan bezog. Von dort fand sie aber bald zum Jazz sowie der improviserten Musik und arbeitete u.a. mit Ralph Towner, Joe Zawinul, Michael Brecker, dem Art Ensemble of Chicago, John Taylor, Steve Swallow, Paolo Fresu und Gianluigi Trovesi zusammen. Mit ihrem Projekt Mind The Gap wiederum wagt sich De Vito an die Interpretation von Nummern aus dem Fundus von Jimi Hendrix, Annie Lennox, Björk, Elvis Costello, Joni Mitchell, Randy Newman, Sidsel Endresen und Django Bates. Von einer ganz anderen musikalischen Seite zeigt sie sich aber nun auf “Il Pergolese”, ihrem ersten Album für das Münchener ECM-Label. Gemeinsam mit François Couturier (Piano), Anja Lechner (Violoncello) und Michele Rabbia (Percussion, Elektronik) zollt sie hier dem Komponisten Giovanni Battista Pergolesi (1710 – 1736) Tribut, der in seinem kurzen Leben ein erstaunliches Œuvre schuf, das Opern, Kirchenmusiken, Sinfonien, Sonaten und instrumentale Konzertstücke umfasst. Dabei betrachtet das Quartett Pergolesis Beziehung zur neapolitanischen Kunst- und Popularmusik aus einer ausgesprochen zeitgenössischen Perspektive.
Der Text von Pergolesis letzter Komposition “Stabat Mater” (die Johann Sebastian Bach später für eines seiner Werke adaptierte) wurde von Maria Pia De Vito ins Neapolitanische übersetzt. Pergolsesis Opernarien wurden in Songs und eine lebendige Erzählung verwandelt, wobei hier sehr offene Rahmen den Schlüssel zur Pergolesi-Interpretation liefern. François Couturiers Arrangements erweitern Pergolesis-Strukturen und schaffen so Raum für die Interaktion der Improvisatoren. “Il Pergolese” ist ein wirkliches Gruppenprojekt, ein klingender Diskurs von akustischen Klängen mit gesampelten Sounds und Echtzeit-Elektronik. “Die Klangtexturen verdichten sich, je reicher der instrumentale Kontrapunkt wird”, merkt De Vito im Begleittext zum Album an, “und werden dann wieder in elektronischen Soundscapes und entlang kolorierender Perkussionslinien aufgelöst, wenn das Cello zur Stimme oder die Stimme zum Instrument wird.”