Auf ihrem neuen Album “Night Reign” setzt sich die Sängerin und Songschreiberin Arooj Aftab mit der Nacht und ihren vielen unterschiedlichen Gesichtern auseinander.
Arooj Aftab(c) Kate Sterlin
30.05.2024
Das Album “Night Reign” als schwarze LP und exklusive Edition in silbernem Vinyl finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Erfolg ist ein zweischneidiges Schwert. Denn er kann einen beflügeln oder auch hemmen. Arooj Aftab lernte in der jüngeren Vergangenheit beide Seiten dieses Schwerts kennen. Mit ihrem dritten Soloalbum “Vulture Prince” und der auf “Love In Exile” dokumentierten spannenden Zusammenarbeit mit Vijay Iyer und Shahzad Ismaily katapultierte sich die mittlerweile 39-Jährige weltweit in die Schlagzeilen. Für “Vulture Prince” erhielt Arooj 2022 als erste pakistanische Künstlerin überhaupt einen Grammy, für “Love In Exile” gab es 2024 zwei Grammy-Nominierungen und in den Niederlanden einen Edison Jazz Award.
Doch als sie sich an ihr nächstes Projekt machte, für das sie Gedichte der indischen Poetin Mah Laqa Bai (1768–1824) vertonen wollte, landete sie plötzlich in einer kreativen Sackgasse. Also legte sie es vorerst auf Eis und startete noch einmal neu durch. Herausgekommen ist dabei mit “Night Reign” ein aufregend schillerndes Album. Im britischen Guardian nannte es Ammar Kalia “eine ihrer bisher temperamentvollsten und experimentellsten Aufnahmen” und schrieb begeistert von “quecksilbrigen und stimmungsvollen Klanglandschaften, die von sehnsüchtiger Romantik durchdrungen sind”. “Die Nacht”, gesteht Arooj Aftab, “ist meine größte Inspirationsquelle. In diesen Liedern geht es um die Nacht, die viele Gesichter hat.”
Auf “Night Reign” präsentiert Arooj vor allem fantastische neue Stücke, aber auch Neu- oder Erstaufnahmen von ein paar älteren Arbeiten. Den in Englisch gesungenen Song “Whiskey” hatte sie z.B. in ihrer Studienzeit am Berklee College of Music geschrieben und das Lied “Bolo Na” sogar, als sie noch ein Teenager war. Mit einer atemberaubend schönen Interpretation des zum Jazzklassiker gewordenen Chansons “Autumn Leaves” (“Les Feuilles mortes”) wagt sie sich zudem auf für sie ungewohntes Terrain vor. So cool, atmosphärisch und elegant wie Arooj hat dieses Lied wohl noch niemand vorgetragen. Eingeflossen sind in das Repertoire mit “Na Gul” und “Saaqi” letztendlich aber auch noch zwei Stücke, die Arooj bereits für ihr “Mah Laqa Bai“-Projekt komponiert hatte.
Tatkräftige Unterstützung erhielt Arooj Aftab bei der Einspielung des Albums von sehr unterschiedlichen kreativen Partnern: bereits vertrauten wie Vijay Iyer, Shahzad Ismaily, Maeve Gilchrist und Petros Klampanis, aber auch neuen wie Moor Mother, Linda May Han Oh, Joel Ross, Cautious Clay, Kaki King, James Francies und Chocolate Genius, Inc. Für Groove und rhythmischen Drive sorgen außerdem die Perkussionisten Jamey Haddad und Keita Ogawa von Snarky Puppy. Und in “Last Night Reprise” gibt ein gewisser Elvis Costello eine kurze Impromptu-Einlage am Wurlitzer-E-Piano.
Schauen Sie jetzt "A Night with Arooj Aftab & Penn Badgley" von Arooj Aftab an
Jetzt für den JazzEcho - Newsletter anmelden!
Berauschend und verführerisch – die Königin der Nacht
Die Songs von Arooj Aftabs demnächst erscheinendem Album “Night Reign” handeln von der Nacht, der Liebe und betörenden Blumen. In einem Gespräch mit dem Schauspieler Penn Badgley verrät die Sängerin, was sie zu diesen Liedern inspirierte.
Der Zauber der Nacht, sei er positiv oder eher negativ besetzt, ist in der Musik seit jeher ein Thema. Von den Nocturnes der Klassik über stimmungsvolle “After Hours”-Jazzalben bis hin zu Max Richters Erfolgsprojekt “Sleep”. Auf ihrem am 31. Mai erscheinenden neuen Album “Night Reign” hat sich nun auch die Sängerin und Songschreiberin Arooj Aftab, die für “Vulture Prince” 2022 als erste pakistanischstämmige Künstlerin mit einem Grammy ausgezeichnet wurde, dieses schier unerschöpflichen und stets faszinierenden Themas angenommen. In einem zwanglosen und natürlich nächtlichen Gespräch mit dem Schauspieler Penn Badgley, den man als charmanten Serienmörder aus der Netflix-Serie “You” oder “Gossip Girl” kennt, hat Arooj verraten, was sie dazu inspirierte, das Thema Nacht auf “Night Reign” in den Mittelpunkt zu rücken. Einen Vorgeschmack auf dieses wahrlich traumhafte Album gibt der Song “Raat Ki Ran”, der bereits vor einer Woche als eSingle erschienen ist.
“Raat Ki Ran” ist eigentlich der Name eines nachtblühenden und berauschend duftenden Jasmins, der auch “Königin der Nacht” genannt wird. Der gleichnamige Song, so erläutert Arooj, “handelt von einer Person, deren Anziehungskraft, Magnetismus und Charisma durch eine schöne abendliche Gartenparty schwebt.” So betörend und unwiderstehlich eben wie der Duft dieses Jasmins. Die süße Melancholie dieses hypnotisierenden Liedes wurde auch wunderbar in dem stylishen, teils in Schwarz-Weiß, teils in Farbe gedrehten Video-Clip eingefangen, mit dem die Schauspielerin Tessa Thompson (“Creed”) ihr Debüt als Regisseurin gibt. Tessas Vater Marc Anthony Thompson (a.k.a. Chocolate Genius, Inc.) ist übrigens auf dem Album – neben Vijay Iyer, Moor Mother, Cautious Clay u.a.- einer von Aroojs musikalischen Gästen.
Neo-Sufi-Klänge aus Brooklyn – elektrisierend und hypnotisierend
In einer Deluxe-Edition mit einem ganz besonderen Bonus-Track bringt Arooj Aftab ihr wunderbares Album “Vulture Prince” neu heraus, für das sie im April einen Grammy erhielt.
Ihr Album “Vulture Prince” in Deluxe Edition auf LP und weiteres finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Mit “Vulture Prince” landete die aus Pakistan stammende Sängerin, Multiinstrumentalistin und Komponistin Arooj Aftab Ende 2021 auf den Jahresbestenlisten von der New York Times, Pitchfork, NPR und Variety. "‘Vulture Prince’ ist in der Urdu-Ghazal-Tradition und deren sehnsuchtsvoller Poesie über Liebe und Verlust verwurzelt", schrieb Stereogum über das Album, das der seit 2005 in Brooklyn lebenden Musikerin den großen Durchbruch verschaffte. “Es vermischt diesen Sound aber mit Elementen verschiedener Stile wie Jazz, Folk und sogar Reggae. Aftab und die hochkarätige Band, die sie zusammengestellt hat – unter anderem mit Gitarre, Harfe, Geige, Kontrabass und Flügelhorn -, setzen sich in sieben mitreißenden Songs mit unerwiderter Zuneigung und Akzeptanz auseinander. Die Lieder sind von Trauer durchdrungen, aber nie von lähmender Verzweiflung, und verleihen den Sufi-Versen, die sonst wie Klagelieder daherkämen, Wärme und Leichtigkeit.”
Für das Album wurde Arooj Aftab im April als erste pakistanische Künstlerin überhaupt mit einemGrammy ausgezeichnet (für “Mohabbat” als “Best Global Music Performance”) und war zudem – obwohl es schon ihre dritte Veröffentlichung seit 2014 war – als “Bester Newcomer” nominiert. Jetzt erscheint es in einer Deluxe-Edition bei Aroojs neuem Label Verve Records noch einmal auf CD und Doppel-Vinyl. Die neue Ausgabe enthält mit “Udhero Na” (auf Deutsch: “Bitte rückgängig machen”) einen ganz besonderen Bonus-Track, bei dem Arooj von Anoushka Shankar auf der Sitar und Maeve Gilchrist auf der Harfe begleitet wird.
“'Udhero Na' ist ein Song, der mir besonders lieb und teuer ist”, verrät Arooj Aftab. "Obwohl ich ihn schon 2005 geschrieben und über die Jahre hinweg auch immer wieder live vorgetragen habe, ist er nie auf einem Album erschienen. Aber er lag mir die ganze Zeit sehr am Herzen. Und deshalb bin ich so froh, ihn jetzt endlich zu veröffentlichen! Er beschreibt einen sehr einzigartigen und flüchtigen emotionalen Moment, ein super unterschätztes Gefühl. Wenn der Gedanke an jemanden aus einer sehr weit zurückliegenden und ‘vergangenen’ Beziehung plötzlich einfach in deinem Kopf auftaucht, während du deinem Alltag nachgehst.
Vulture Prince (Deluxe Edition LP)
VÖ: 24. Juni 2022
LP
Arooj Aftab
Hier bestellen
Streamen und Downloaden
Vulture Prince (Deluxe Edition)
VÖ: 24. Juni 2022
Arooj Aftab
Hier bestellen
Streamen und Downloaden
Kollektive Kreativität – hypnotisierend, exotisch und doch irgendwie vertraut
Mit “Love In Exile” haben Sängerin Arooj Aftab, Pianist Vijay Iyer und Bassist Shahzad Ismaily gemeinsam ein Album erschaffen, dessen Reizen sich wohl kaum einer entziehen kann.
In Arooj Aftab, Vijay Iyer und Shahzad Ismaily haben sich drei der profiliertesten und einflussreichsten musikalischen Stimmen der südasiatischen Diaspora für ein aufregendes Projekt zusammengeschlossen.
Mit den ungemein reizvollen und sich gemächlich entfaltenden Liedern von “Love In Exile” entführt das Trio abenteuerlustige Hörer/innen in weite Klangwelten, die zugleich exotisch und doch vertraut wirken. Das Zeitgefühl scheint hier auf wundersame Weise außer Kraft gesetzt zu werden, so sehr kann man sich in dieser größtenteils improvisierten und hypnotisierenden Musik verlieren. Die Üppigkeit der klanglichen und rhythmischen Palette steht dabei im krassen Widerspruch zur Bescheidenheit der eingesetzten Mittel. Nur mit Klavier, Fender Rhodes und Elektronik respektive E-Bass und Moog-Synthesizer erschaffen Vijay Iyer und Shahzad Ismaily einen luftig gewebten Sound-Teppich über dem vollkommen schwerelos Arooj Aftabs exquisit-himmlischer Urdu-Gesang schwebt. “Love In Exile” wurde live in einem New Yorker Studio aufgenommen und im Nachhinein nur noch minimal bearbeitet. Mit jedem Hören des Albums offenbaren sich einem andere Aspekte dieser vielschichtigen Klangwelt. Genre-Kategorien kristallisieren sich erst nach und nach heraus, bleiben aber flüchtig. Die Musik ist verblüffend präsent, stets elegant und emotional offen. Indem sie in Echtzeit und ohne große Vorbereitungen zur Sache gingen, schufen die drei Musiker einen kollektiven Moment für sich und das Publikum.
“Vijay und Shahzad waren so sehr eins, dass nicht klar war, ob sie mir folgten oder ob ich ihnen folgte”, erinnert sich Arooj Aftab an den ersten gemeinsamen Auftritt zurück. “Wir waren wie ein Schwarm Fische.” Nach der Premiere-Show, die 2018 in New York stattgefunden hatte, bat Shahzad Ismaily Arooj Aftab und Vijay Iyer, sich mit ihm hinter der Bühne zusammenzusetzen und über das eben Geschehene nachzudenken. “Wir haben es vom ersten Moment an gespürt”, erinnert sich Iyer. “Wir waren baff und schwiegen uns erst einmal an, bevor einer sagte: ‘Ich weiß nicht, was da gerade passiert ist. Aber wir sollten das wiederholen.’” Für diesem ersten Auftritt hatten sie keinerlei Material vorbereitet gehabt; die starke Chemie, die sich gleich einstellte, überraschte sie selbst. Der gemeinsame Fokus auf das kollaborative Kreieren in Echtzeit hatte es ihnen ermöglicht, die Klänge von Bass, Klavier und Gesang zu einem atemberaubenden, einheitlichen Sound zu verweben. Es war Musik, die aus dem Moment heraus entstand. Worte konnten sie nicht definieren, aber das Publikum spürte sie und nahm an der emotionalen Reise teil. Diese Offenheit für spontanes, gemeinsames Musikmachen hat sich das Trio bis heute erhalten. Und es prägte auch das halbe Dutzend Konzerte, das sie vor der Aufnahme ihres Debütalbums gaben.
Das individuelle Renommee dieser drei Musiker, die sich hier zusammengefunden haben, ist beachtlich. Arooj Aftab - die 1985 als Tochter pakistanischer Auswanderer im saudi-arabischen Riad zur Welt kam und in Lahore/Pakistan aufwuchs – verzauberte mit ihrem jüngsten Soloalbum “Vulture Prince” die gesamte Musikwelt und wurde dafür vergangenes Jahr als erste pakistanische Künstlerin mit einem Grammy ausgezeichnet. Der mehrfach preisgekrönte Vijay Iyer, als Sohn indischer Tamilen in Albany/New York geboren, ist einer der einflussreichsten Pianisten der Gegenwart und einer der aktuellen Stars des Label ECM Records. Der ebenfalls pakistanischstämmige Shahzad Ismaily schließlich hat als einfühlsamer Sessionmusiker mit unzähligen Größen wie Lou Reed, Tom Waits, Laurie Anderson und John Zorn im Studio und auf der Bühne zusammengearbeitet. Gemeinsam haben die drei auf “Love In Exile” nun wirklich einzigartige Musik geschaffen, die sich jeder Kategorisierung entzieht.
Tiny Desk Concert und Deutschland-Konzert von Love In Exile
Mit dem Pianisten Vijay Iyer und dem Bassisten Shahzad Ismaily bildet die Sängerin Arooj Aftab das außergewöhnliche Supertrio Love In Exile. Am 12. Mai gab dieses sein erstes Tiny Desk Concert.
Von dem US-Radiosender NPR zu einem “Tiny Desk Concert” eingeladen zu werden, ist für viele Künstler aus aller Welt eine ganz besondere Ehre. Der YouTube-Kanal, auf dem diese intimen und größtenteils akustischen Showcases gezeigt werden, hat mittlerweile mehr als 7,8 Millionen musikbegeisterte Abonnenten. Die aus Pakistan stammende und in Brooklyn lebende Sängerin und Songschreiberin Arooj Aftab darf sich jetzt zu den besonders Glücklichen zählen, die bereits zwei “Tiny Desk Concerts verbuchen durften. Das erste gab sie mit ihrem Ensemble im Dezember 2021 nach der Veröffentlichung ihres gefeierten Albums “Vulture Prince”, für das sie schon wenig später einen Grammy erhalten sollte. Wegen der Corona-Beschränkungen fand das Konzert damals allerdings nicht in den beengten Büroräumen von NPR Music in Washington D.C. statt, sondern wurde an einem anderen Ort aufgezeichnet.
Als Arooj nun am 12. Mai mit dem Supertrio Love In Exile, das sie mit Vijay Iyer (Klavier, Fender Rhodes) und Shahzad Ismaily (Bass, Moog-Bass) bildet, ihren zweiten “Tiny Desk”-Auftritt absolvierte, konnte man sie endlich auch in der gewohnten Kulisse erleben, die diesen Konzerten ihren eigentlichen, etwas unaufgeräumten Charme verleihen. Zu Hören gab es eine rund 17-minütige, improvisierte Version des Songs “Eyes Of The Endless”, die wahrlich unter die Haut geht. Das Stück ist auch Bestandteil des Repertoires des im März bei Verve Records veröffentlichten Debütalbum 'Love In Exile’ des Trios.
“Der inoffizielle Preis für das Kopfhöreralbum des Jahres geht schon jetzt an diese intergenerationelle Supergroup”, schrieb Jan Paersch in Jazzthing über das Album. “‘Love In Exile’ erzählt in sechs Songs auf subtilst mögliche Weise die Geschichte dreier vielfältig interessierter Musiker/innen. Ein echtes Ambientalbum, kaum ein Stück kürzer als zwölf Minuten. […] Aftabs meditativer Urdugesang schwebt durch dieses Album. Und was Ismaily hier macht, ist atemberaubend: Sein abgrundtief dunkler Synth-Bass veredelt ‘Eyes Of The Endless’, sein ultrasimples Bassmotiv in ‘Sajni’ gibt Iyer das Sprungbrett für ätherische Improvisationen. Der Pianist spielt auf ‘Shadow Forces’ das vielleicht schönste Bluessolo seiner Karriere.”
Am kommenden Donnerstag, dem 25. Mai, tritt das Trio im Rahmen des Internationalen Musikfests Hamburg im Kleinen Saal der Elbphilharmonie live auf. Ein Konzert, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Darüber hinaus wird Arooj Aftab im Juni gleich zweimal beim 24. Poesiefestival in Berlin zu erleben sein. Zunächst zusammen mit anderen Künstlerinnen und Künstlern in der “Weltklang – Nacht der Poesie” am 9. Juni und dann am darauf folgenden Tag in einem “Poesiegespräch” mit der Musikjournalisten und Dolkumentarfilmregisseurin Christine Franz