Auf “ARBORESQUE”, ihrem dritten Album für Blue Note, kommunizieren die Musikerinnen von ARTEMIS auf geradezu telepathische Weise miteinander und präsentieren sich dabei so locker und gleichzeitig geschlossen wie nie zuvor.
ARTEMIS (2025)(c) John-Abbott
27.02.2025
Als die Pianistin Renee Rosnes 2016 das All-Star-Ensemble ARTEMIS aus der Taufe hob, hätte sie wohl kaum gedacht, dass sich diese Band zu einem neuen Fixstern am Jazzhimmel entwickeln würde. Denn eigentlich wollten die sieben Musikerinnen – die wie Rosnes selbst eigene Solokarrieren und Aufnahmeprojekte hatten – damals nur anlässlich des Internationalen Frauentags eine Reihe von Konzerten in Europa geben. Doch wie schon Wilhelm Busch, dem diese Weisheit zugeschrieben wird, wusste: Manchmal kommt es anders und zweitens als man (oder in diesem Fall: frau) denkt. Nun, neun Jahre und einige Umbesetzungen später, legen ARTEMIS mit “ARBORESQUE” bereits ihr drittes Album bei Blue Note vor. Aus dem anfänglichen Septett ist inzwischen ein Quintett geworden: mit Renee Rosnes an den Tasten, Ingrid Jensen an der Trompete, Nicole Glover am Tenorsaxofon, Noriko Ueda am Bass und Allison Miller am Schlagzeug. “Als Quintett haben wir ein besseres Gefühl für Elastizität entwickelt”, sagt Rosnes, die nicht nur die treibende Kraft von ARTEMIS ist, sondern auch für den Großteil der Arrangements verantwortlich zeichnet. “Wir sind lockerer und gleichzeitig geschlossener geworden.”
Auf “ARBORESQUE” scheinen die Musikerinnen auf geradezu telepathische Weise miteinander zu kommunizieren. Wie der Titel des Albums (auf Deutsch: “Baumartig”) schon erahnen lässt, geht es diesmal im weitesten Sinne um die Schönheit der Natur und die Umwelt. “Wir sind alle Naturliebhaberinnen und in atemberaubenden Gegenden aufgewachsen”, erklärt Rosnes. “Und wenn wir zusammen unterwegs sind, nutzen wir jede Gelegenheit, um in die Natur einzutauchen. Reisen kann eine Herausforderung sein, aber es stärkt auch unsere Verbundenheit und gibt uns ein Gefühl des Wohlbefindens.”
Da jede der fünf Musikerinnen eine eigene Komposition zum Repertoire beigesteuert hat, schillert die Musik des Albums in den unterschiedlichsten Farben und spiegelt eine erstaunliche Bandbreite an Einflüssen wider. Von Noriko Ueda stammt die entspannte, aber auch etwas kantige moderne Hardbop-Nummer “Komorebi”; wörtlich übersetzt bedeutet das japanische Wort “Sonnenlicht, das durch die Bäume sickert” und beschreibt die Schönheit der Sonnenstrahlen, die durch die Blätter eines Baumes scheinen und tanzende Schatten auf den Waldboden werfen. “Petrichor” ist eine bezaubernde Ballade von Nicole Glover, benannt nach dem beruhigenden Duft in der Luft, der nach einer Trockenperiode dem ersten Regen folgt. Von ihrer groovigen Seite zeigen sich ARTEMIS in Ingrid Jensens “Sights Unseen”, während Allison Millers malerisches “Little Cranberry” eine Anspielung auf die gleichnamige idyllische Insel vor der Küste Maines ist. Renee Rosnes’ “Olive Branch” ist eine lateinamerikanisch angehauchte moderne Jazzkomposition, zu der die Pianistin von einem spanischen Olivenhain inspiriert wurde, den die Band auf ihrer Tournee besuchte. “Der Olivenbaum ist nicht nur ein Symbol des Friedens, sondern in vielen Kulturen heilig”, erklärt sie. “In der griechischen Mythologie brachte Leto, die Mutter von Artemis und Apollo, ihre Zwillinge unter einem Olivenbaum auf der Insel Delos zur Welt.”
Abgerundet wird das Programm durch drei von Renee Rosnes arrangierte Coverversionen: “What The World Needs Now Is Love” von Burt Bacharach und Hal David, Wayne Shorters Klassiker “Footprints” und das sich verführerisch schlängelnde “The Smile Of The Snake” aus der Feder des Pianisten Donald Brown, der Anfang der 1980er Jahre zusammen mit Wynton und Branford Marsalis in Art Blakey’s Jazz Messengers spielte.
“Unser Ziel ist es, ehrliche Musik zu machen, die die Menschen berührt”, sagt Renee Rosnes. “Wir inspirieren uns gegenseitig und spielen leidenschaftlich gerne zusammen. All diese positive Energie kommt in der Musik zum Ausdruck und ich denke, das Publikum spürt das auch.”