Als der Begriff Acid Jazz vor 30 Jahren in London von einem kleinen Team um die DJs Eddie Piller und Gilles Peterson aus der Taufe gehoben wurde, begrüßten ihn viele Jazzpuristen mit gerümpfter Nase. Sie taten die neue Dancefloor-Musik als modischen Schnickschnack ohne jeden echten Jazzbezug ab und sagten ihr voraus, schon bald wieder in der Versenkung zu verschwinden. Piller und Peterson ließen sich davon allerdings nicht beeindrucken. Ersterer führt noch heute erfolgreich das Label Acid Jazz Records, letzterer verfolgte dieselbe Philosphie nach seinem Ausstieg dort auf den eigenen Labels Talkin' Loud und Brownswood Recordings weiter. Und bis heute gelten Piller und Peterson als Spürnasen, die Altstars in neuem Glanz erstrahlen lassen und neuen Stars zum Durchbruch verhelfen.
Jetzt ist das Label Acid Jazz Records, das 1988 als erste Single Gallianos “Frederick Lies Still” veröffentlichte, 30 Jahre alt geworden (Hah, wie reimt sich das auf Kurzlebigkeit, liebe Jazzpuristen?). Und zur Feier des runden Jubiläums erscheint ein ebenso rundes Doppelalbum mit dem Titel “
Martin Freeman And Eddie Piller Present Jazz On The Corner”. Martin Freeman? Ganz genau, der britische Schauspieler, weltbekannt durch seine Rollen als Hobbit Bilbo Baggins in den Herr-der-Ringe-Filmen und Dr. Watson in der TV-Serie “Sherlock”. Freeman hatte sich bereits in Eddie Pillers Radiosendung “
Jazz On The Corner” als veritabler Jazzkenner entpuppt. Den Hörern der Sendung war das nicht genug, sie verlangten ein Album. Und das werden sie nun bekommen, sogar ein doppeltes, auf
CD und Vinyl.
Auf der von ihm kurierten CD mischt “Hobbit” Freeman Klassiker von Art Blakey’s Jazz Messengers, Eddie Harris, Mose Allison, Lee Morgan, Jimmy Smith und Blossom Dearie mit Aufnahmen weniger dekorierter Jazz-Heroen wie Trompeter Joe Gordon, Altsaxophonist Charles Williams, Bassist Sam Jones und dem Komponisten-Arrangeur-Produzenten David Axelrod. Sogar eine Nummer von Kamasi Washington bringt er auf der Scheibe, die Acid-Jazzer und Jazzpuristen gleichermaßen begeistern dürfte, noch unter.
Für Fans dieser Musik ist das Doppelalbum sicherlich eine hochwillkommene und ebenso kompetente Ergänzung zur kürzlich wiederaufgelegten legendären Compilation-Serie “Blue Break Beats”. Für diese hatte bereits in den Neunziger Jahren Dean Rudland, ein alter Mitstreiter von Piller und Peterson, Break-Beat-Klassiker aus dem Blue-Note-Katalog zusammengestellt, die für zahllose Hip-Hop-Hits gesamplet worden waren.