Es gibt Festivals, deren Besuch jedes Mal ein echter Angang ist. Man weiß, es wird ein irrsinniger Trubel, es wird rund um die Uhr gefeiert, man wird keine ruhige Minute haben und am Ende drei Tage Erholung brauchen. Mindestens. Und es gibt Festivals, die sind so etwas wie ein fröhlicher Wochenend-Ausflug zu netten Leuten, die zudem alle sehr entspannt sind. Um ein solches Festival handelt es sich bei der JazzBaltica, die ihren Standort 2012 vom Gut Salzau an den Timmendorfer Strand verlegte und heuer ihr 25-jähriges Jubiläum feierte. Sie hat davon, so wie auch von sich selbst, kein großes Aufhebens gemacht.
Mit der Location wechselte auch der Festivalleiter und mit Nils Landgren hat man eine äußerst glückliche Wahl getroffen. Der Schwede neigt weder zu großen Posen, noch zu ebensolchen Worten, er möchte seinen Gästen lediglich drei unvergessliche Tage bieten. Ohne dabei mit möglichst großen Namen zu wuchern und den Versuch zu starten, den Jazz am Ende doch zu einem Zweig der E-Musik zu machen. Lieber vertraut er dem alten Rezept der JazzBaltica, honorige Künstler in immer wieder neuen Zusammenhängen zu präsentieren. Hier machte auch das Programm im Jubiläumsjahr nur selten eine Ausnahme, und so erlebte das Publikum bei schönstem Sommerwetter den Schlagzeuger Günter “Baby” Sommer als Teil des Quartetto Trionfale. Mit ihm, ergo mit Gianluigi Trovesi (Klarinette), Manfred Schoof (Trompete) und dem Bassisten Antonio Borghini hatte Sommer schon zu DDR-Zeiten Unerhörtes auf die Bühne gestellt und tat dies nun erneut.
Als zweites Beispiel für das Konzept der JazzBaltica sei der norwegische Trompeter Nils Petter Molvær genannt. Neben und hinter ihm standen am Festival-Samstag weit nach Sonnenuntergang sein Landsmann Eivind Aarset an der Gitarre, der Elektroniker Vladislav Delay (Nomen est omen!) und mit Sly Dunbar & Robbie Shakespeare das präziseste und vermutlich produktivste Rhythmus-Gespann des jamaikanischen Reggae. Hypnotische Rhythms, verstrahlte Klanglandschaften, Molværs Trompete scheint zu singen, Sly & Robbie tragen den Jazz in ferne Galaxien, die Grooves sind derart profund, dass man sofort alle Stühle aus dem Saal schmeißen möchte. Klar auch, dass ein solcher Sound nicht von jedem Jazzfan gleichermaßen goutiert wurde.
Zwischen solche Extreme bettet die JazzBaltica Künstler wie den Funk-Paten Maceo Parker, die Kontrabassistin Kristin Korb, Dee Dee Bridgewaters Tochter China Moses, das Michael Wollny Trio, Wolfgang Haffner sowie Bugge Wesseltoft (Norway again, möchte man sagen) und auf den kleineren Bühnen etliche Musiker, denen das Umfeld zu relevanten Auditorien verhilft. Zudem wird hier am kleinen Ostsee-Hafen nicht mit Begriffen wie “Event” jongliert und versammeln sich auch keine Expertenscharen in der VIP-Lounge beim Champagner aufs Haus. Die JazzBaltica bleibt fast schon unwirklich sympathisch und vor allem bescheiden. Auch wenn das angesichts eines neuen Rekordes von 13.000 Besuchern gar nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Aber richtig war es am Ende natürlich doch.