Blue Note Classic Vinyl Serie – Hard-Bop-Pioniere am Scheideweg
Bevor sie zu neuen musikalischen Ufern aufbrachen, nahmen Pianist Horace Silver und Altsaxofonist Lou Donaldson 1968 noch zwei feine Alben mit Hard Bop und Soul Jazz auf.
Blue Note Classic Vinyl: Horace Silver "Serenade To A Soul Sister" / Lou Donaldson "Say It Loud!"
19.03.2025
Die Blue Note Classic Vinyl Serie macht die klassischen Alben des Labels zum attraktiven Preis dauerhaft verfügbar. Die ersten Folgen erschienen bereits 2019 zum achtzigsten Labeljubiläum unter dem Serientitel Blue Note 80. Gemastert werden die LPs von Kevin Gray bei Cohearent Audio in den USA, gepresst in 180g bei Optimal in Deutschland. Original-Coverdesign und cellophanierte Innenhüllen gehören bei dieser Serie zum guten Ton.
Lou Donaldson – Say It Loud!
Als der Altsaxofonist Lou Donaldson im vergangenen November im Alter von 98 Jahren verstarb, verlor die Jazzwelt einen der größten Stars der Hard Bop- und Soul Jazz-Ära. Donaldsons Zeit bei Blue Note lässt sich in zwei Phasen einteilen: in der ersten, von 1952 bis 1963, spielte er vor allem straighten Bebop und klassischen Hard Bop, als er dann 1967 nach einer Reihe von Alben für Argo und Cadet Records wieder zu Blue Note zurückkehrte, hatte er sich längst dem Soul Jazz zugewandt. Mit “Alligator Bogaloo” landete er damals auf Anhieb einen derartigen Soul Jazz-Hit, dass er die schlichte Erfolgsformel – Hauptsache die Musik groovt – auch für die folgenden Alben beibehielt.
Zu den bahnbrechenden Aufnahmen des Genres wird auch das im November 1968 entstandene Album “Say It Loud!” gezählt, das einen eher kuriosen Repertoire-Mix bot. Während Donaldson auf der ersten Seite James Browns brandneuen Funk-Hit “Say It Loud (I’m Black And I’m Proud)” mit George Gershwins “Summertime” und Duke Ellingtons “Caravan” kombinierte, bestritt er die zweite Seite mit zwei selbst geschriebenen, beispielhaften Soul Jazz-Nummern: “Snake Bone” und “Brother Soul”. Und es scheint, dass sich die exzellente Band – bestehend aus dem Trompeter Blue Mitchell, dem Hammond-Organisten Charles Earland, dem Gitarristen Jimmy Ponder und dem Schlagzeuger Idris Muhammad – erst da so richtig in ihrem Element fühlte und zu Höchstform auflief.
Horace Silver – Serenade To A Soul Sister
Der Pianist und Komponist Horace Silver (1928–2014) ist als einer der wichtigsten Pioniere des Hard Bop und Soul Jazz in die Jazzgeschichte eingegangen. Anfang der 1950er Jahre hatte er zusammen mit Art Blakey und Lou Donaldson für Blue Note die Alben eingespielt, die das Genre des Hard Bop definierten. Bevor Silver in esoterischere musikalische Sphären abdriftete, nahm er 1968 noch das Meisterwerk “Serenade To A Soul Sister” auf. “Eines der letzten großen Alben von Horace Silver für Blue Note und eines der ansteckend fröhlichsten und bestgelaunten Werke des Pianisten”, urteilte Steve Huey in seiner Rezension für AllMusic und gab “Serenade To A Soul Sister” viereinhalb Sterne.
In den Liner Notes des Albums hatte der Pianist 1968 in wenigen Punkten umrissen, worauf es ihm beim Komponieren ankam: Melodische und harmonische Schönheit, ausdrucksstarke Einfachheit und Rhythmus, aber auch regionale, spirituelle und andere Einflüsse. Und genau das findet man auf “Serenade To A Soul Sister” dann auch in Hülle und Fülle. Entstanden war das Album bei zwei Sessions im Februar und März 1968. Bei der ersten Session arbeitete Silver mit dem Trompeter Charles Tolliver, dem Saxofonisten Stanley Turrentine, dem Bassisten Bob Cranshaw und dem Schlagzeuger Mickey Roker zusammen. Bei der zweiten Session präsentierte er sich mit Tolliver und drei jungen aufstrebenden Musikern, die wenig später zu den Pionieren des Jazz-Rock und der Fusion-Musik gehören sollten: dem Tenorsaxofonisten Benny Maupin, dem Bassisten John Williams und dem Schlagzeuger Billy Cobham.