Musikalisches Kontrastprogramm: mal luftig leicht, mal psychedelisch heavy
Im September erscheint das Album “Blue Note Re:imagined II”. Als ersten Appetizer gibt es nun eine 7″-Single mit zwei sehr unterschiedlichen Tracks von Ego Ella May und Theon Cross.
Ella Ego May: Morning Side Of Love / Theon Cross: Epistrophy (7" Vinyl)
Auf “Blue Note Re:imagined” setzten sich vor zwei Jahren einige der kreativsten jungen Künstler der britischen Szene auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen mit dem klassischen Jazzrepertoire von Blue Note auseinander. Das Album erhielt glänzende Kritiken. “Das ehrgeizige Projekt ‘Blue Note Re:imagined’ verbindet auf selten glückhafte Weise Vergangenheit und Gegenwart des Jazz”, schrieb die Presse damals. “Die Ernsthaftigkeit, mit der die jungen Musiker ihre Neudeutungen realisierten, rechtfertigt im Nachhinein das Vertrauen des renommierten Jazzlabels Blue Note, das ihnen vollen Zugang zu den Archiven gestattete. Das Album begeistert nicht nur generationsübergreifend, es hält auch sowohl für konservative Hörer als auch für Freunde des Tumultarischen eine Vielzahl an Reizen bereit. […] Um die Zukunft des Jazz muss man sich keine Sorgen machen.” Bevor am 30. September das neue Album “Blue Note Re:imagined II” herauskommt, erscheinen auch diesmal wieder vorab einige 7″-Singles auf Vinyl und digital. Die erste Single, mit Tracks von Ego Ella May und Theon Cross, unterstreicht dabei gleich den Kontrastreichtum der neuen Aufnahmen.
Die junge Neo-Soul- und R’n’B-Sängerin und Songschreiberin Ego Ella May steht für die etwas leichteren und luftigeren Töne des Albums. Als Tochter nigerianischer Einwanderer im Süden Londons geboren und aufgewachsen, machte sie sich in den vergangenen zehn Jahren mit diversen Singles, EPs und Alben, aber vor allem ihren charismatischen Live-Auftritten einen Namen. Zu ihren Haupteinflüssen zählt sie Stevie Wonder, Amy Winehouse und ihre Namensvetterin Ella Fitzgerald. May überrascht hier mit einer sinnlichen Version von Chico Hamiltons “The Morning Side Of Love”. Der Schlagzeuger, in dessen Band junge Talente wie Charles Lloyd, Gábor Szabó und Larry Coryell herangereift waren, hatte in den 60er Jahren mit einer originellen Mischung aus Soul-Jazz, Jazz-Funk, Boogaloo und moderat avantgardistischen Elementen große Popularität erlangt. “The Morning Side Of Love” stammt von dem 1975 erschienenen Blue Note-Album “Peregrinations”. Und Ego Ella May verleiht dem Stück, das im Original haarscharf an der Grenze zum Schnulzigen vorbeischrammte, einen erfrischenden Hauch von moderner, nonchalanter Coolness.
Am anderen Ende des musikalischen Spektrums von “Blue Note Re:imagined II” befindet sich hingegen der Tubist Theon Cross. Er hat sich Thelonious Monks Klassiker “Epistrophy” zur Brust genommen, der erstmals 1948 auf dem Monk-Album “Genius Of Modern Music, Vol. 1” erschien. Cross ist natürlich vor allem als Mitglied von Sons Of Kemet bekannt, arbeitete darüber hinaus aber auch mit Moses Boyd, Nubya Garcia, Steam Down, Stormzy, Emeli Sandé, Kano, Lafawndah und Angélique Kidjo sowie auf der anderen Seite des Atlantiks mit Jon Batiste und Makaya McCraven zusammen. Im Fachmagazin Brass ‘n Wind heißt es über Theon Cross: “Er ist für die Tuba das, was Coleman Hawkins für das Tenorsaxophon war: Er hat sein Instrument aus dem Hintergrund des Ensembles nach vorne geholt und der Jazzwelt gezeigt, was für ein Potenzial es als Soloinstrument besitzt.” Genau das tut er auch in seiner etwas sinisteren und abenteuerlichen Überarbeitung von “Epistrophy”, die voller überraschender Wendungen steckt und mit psychedelischen Untertönen aufwartet. Monk selbst hätte an dieser originellen Interpretation ganz sicher seine helle Freude gehabt.