Blue Note Tone Poet Serie – vier Chamäleons und ein Individualist
Während die Jazz Crusaders 1961 mit “Freedom Sound” erstmals ins internationale Rampenlicht traten, bewies der lange unterschätzte Pianist und Komponist Andrew Hill 1968 auf “Grass Roots” sein feines Gespür für Stimmungen, Grooves und Lyrik.
Blue Note Tone Poet Vinyl Serie: Andrew Hill "Grass Roots" / The Jazz Crusaders "Freedom Sound"
21.01.2025
Die erste audiophile LP-Serie von Blue Note Records ist ein weltweiter Erfolg. Kuratiert wird sie von Joe Harley, genannt der „Tone Poet", vom renommierten amerikanischen Vinyl-Label Music Matters. Die Fertigung erfolgt mit rein analogen Produktionsschritten vom Erste-Generation-Masterband bis zur 180g-Pressung bei Record Technology Incorporated (RTI) in den USA. Den luxuriösen Rahmen schaffen stabile, laminierte Tip-On-Gatefold-Sleeves und wattierte Innenhüllen.
Andrew Hill – Grass Roots
Der aus Chicago stammende Pianist Andrew Hill (1931–2007) erwarb sich in den 1960er Jahren den Ruf, einer der originellsten Komponisten des modernen Jazz zu sein. Alfred Lion, der ihn 1963 zu Blue Note Records holte und bis 1969 ein Dutzend Soloalben von ihm produzierte, hielt ihn damals sogar für den nächsten Thelonious Monk. Doch im Gegensatz zu Monk, dessen Genialität – wenn auch mit erheblicher Verspätung – schließlich vom Publikum erkannt wurde, blieb Hill zeitlebens ein Geheimtipp. Ein Individualist, der zwar von Musikerkollegen und einem Teil der Kritik in den höchsten Tönen gelobt wurde, aber nie den Durchbruch beim breiteren Publikum schaffte. Als eines der zugänglichsten Werke in der beeindruckenden Blue-Note-Diskografie des Pianisten gilt das 1968 entstandene Album “Grass Roots”. Wie für Hill typisch, präsentiert er hier ausschließlich neue Eigenkompositionen, die von seinem feinen Gespür für Stimmungen, Grooves und Lyrik zeugen. Für die Session hatte er einige der besten Musiker der 60er Jahre um sich versammelt: den Trompeter Lee Morgan, den Tenorsaxofonisten Booker Ervin, den Kontrabassisten Ron Carter und den Schlagzeuger Freddie Waits. “Die Songs haben starke Melodien und sogar Hooklines, um auch Gelegenheitshörer anzulocken”, schreibt Stephen Thomas Erlewine in seiner AllMusic-Rezension, in der er das Album mit vier Sternen bewertet, “aber sie geben den Musikern die Freiheit, in ihren Soli eine unverwechselbare Stimme zu finden. Das Album bietet im Grunde das Beste aus beiden Welten – es ist zugänglich, genau wie Blue Note es wollte, aber ohne die Integrität von Hill zu gefährden.”
The Jazz Crusaders – Freedom Sound
Pianist Joe Sample, Tenorsaxofonist Wilton Felder, Schlagzeuger Stix Hooper und Posaunist Wayne Henderson verstanden es schon früh, sich wie ein Chamäleon ihrer Umgebung anzupassen und ihre musikalischen Farben zu wechseln. Ihre ersten Auftritte in Houston absolvierten die jazzbegeisterten Highschool-Freunde 1954 noch als The Swingsters, wechselten dann – mit zwei zusätzlichen Musikern – als The Modern Jazz Sextet zum Hardbop, spielten als Nighthawks aber auch Rhythm’n'Blues-orientierte Musik. Den Namen The Jazz Crusaders, unter dem sie erste Berühmtheit erlangten, legten sie sich 1960 zu, nachdem sie gemeinsam von Texas nach Los Angeles gezogen waren. Dort spielten sie 1961 mit Jimmy Bond am Bass und Roy Gaines als Gastgitarrist auch ihr erstes Album “Freedom Sound” ein. Als primäre Einflüsse für die fast durchweg selbst geschriebene Musik nannten sie unter anderem Cannonball Adderley, Art Blakey und John Coltrane. Und auf “Freedom Sound” waren diese Vorbilder auch noch deutlich zu hören. Den Jazz Crusaders gelang hier eine gekonnte Balance zwischen kreativem Hardbop und eingängigem Soul-Jazz. Die einzige Fremdkomposition des Albums war das Titellied des Films “Exodus”, für das der Komponist Ernest Gold 1961 einen Grammy erhielt. “Freedom Sound” war der Beginn einer überaus fruchtbaren und erfolgreichen zehnjährigen Zusammenarbeit mit dem Label Pacific Jazz, aus der 16 Alben hervorgingen.