Bobby Hutchersons Erinnerungen an seinen ersten öffentlichen Auftritt waren alles andere als angenehm. Denn der Gig, den er als Teenager an der Seite des Schulfreundes und Bassisten Herbie Lewis absolvierte, soll eine echte Katastrophe gewesen sein: “Ich traf die erste Note richtig; an die konnte ich mich noch erinnern”, verriet er der Jazz Times 2014 in einem Interview. “Aber ab der zweiten Note war es das komplette Chaos. Nie zuvor dürfte man ein Publikum so buhen und lachen gehört haben. Ich war völlig gedemütigt.” Glücklicherweise legte der junge Hutcherson die Schlägel nicht aus der Hand, sondern übte um so versessener weiter. Unterricht nahm er u.a. bei dem auch in Deutschland bestens bekannten Dave Pike.
Seine ersten Aufnahmen machte Hutcherson 1960 als 19-Jähriger mit dem Les McCann Trio. Zwei Jahre später ging er nach New York, wo er sich erst einmal als Taxifahrer über Wasser halten musste, bevor ihm sein alter Schulfreund Herbie Lewis schließlich Zugang zur lokalen Szene verschaffte. Über ihn lernte er den Altsaxophonisten Jackie McLean kennen, den Hutcherson 1963 bei der Einspielung des Blue-Note-Albums “One Step Beyond” begleitete. Und das – nomen est omen! – brachte ihn tatsächlich einen großen Schritt weiter. Mit 24 Jahren konnte der Vibraphonist – der von den Lesern des US-Jazzmagazins DownBeat kurz zuvor zum “Talent Deserving Wider Recognition” gekürt worden war – sein erstes Album unter eigenem Namen bei dem von Alfred Lion geführten Label veröffentlichen.
Ein bereits 1963 mit u.a. Joe Henderson, Grant Green und Duke Pearson aufgenommenes Album – “The Kicker” – sollte seltsamerweise erst 1999 erscheinen! Bis 1977 sollte Hutcherson als Leader noch 20 Alben für Blue Note einspielen, darunter moderne Klassiker wie “Components” (1965), “Stick-Up!” (1966), “Oblique” (1967), “Total Eclipse” (1968), “San Francisco” (1970) und “The View From Inside” (1977). Auf ihnen zeichnete sich Hutcherson durch eine stilistische Vielfältigkeit aus, die von Hard-Bop über Fusion bis zu Free-Jazz reichte. Aufnahmen machte er im Laufe seiner Karriere auch an der Seite von Größen wie Herbie Hancock, McCoy Tyner, Eric Dolphy, Sonny Rollins, Tony Williams, Pharoah Sanders, Donald Byrd, Abbey Lincoln, Dianne Reeves und Kenny Barron.
Zwischen 1984 und 1992 spielte er noch acht Alben für Landmark Records ein; danach wurde es um den Vibraphonisten etwas stiller, auch wenn er 1999 mit “Skyline” noch ein Album für das wieder aufgeblühte Label Verve aufnehmen konnte. Aufmerksamkeit erregte Hutcherson aber 2004, als er neben Joshua Redman, Miguel Zenón, Nicholas Payton, Renee Rosnes und Eric Harland Mitglied des ersten SFJAZZ Collective wurde, mit dem er vier Jahre lang intensiv arbeitete und auf Tourneen ging. 2010 wurde Bobby Hutcherson vom National Endowment of the Arts, der einzigen staatlichen Kulturfördereinrichtung der USA, zum Jazz Master ernannt.
Und 2014 konnte er mit dem Album “Enjoy The View” eine triumphale Rückkehr zu Blue Note feiern. “Bobby kann als einer der überragendenden Vibraphonisten nicht nur eine unglaubliche Blue-Note-Geschichte vorweisen”, meinte der aktuelle Blue-Note-Präsident Don Was bei der Gelegenheit, “er ist auch heute noch ein Gigant auf seinem Instrument.” Das bei einer fantastischen Session mit Altsaxophonist David Sanborn, Organist Joey DeFrancesco und Drummer Billy Hart eingespielte Album wurde für einen Grammy nominiert.
Jetzt wurde bekannt, dass Bobby Hutcherson am 15. August 2016 in Montara/Kalifornien im Alter von 75 Jahren an einem Lungenemphysem gestorben ist.