Zwei Seelen wohnen in der Brust des Serben Bojan Zulfikarpašić, der – wegen der besseren Aussprechbarkeit – meist nur Bojan Z genannt wird. Die eine Seele ist die des akustischen Pianisten, der – wie übrigens auch Herbie Hancock – eine Leidenschaft für italienische Fazioli-Flügel hegt. Die andere ist die des technischen Tüftlers und Klangexperimentierers, der ein altes Fender Rhodes in eine eigenwillige Maschine namens “Xenophon” umgebaut hat, mit der er “fremdartige” Elektroklänge geriert, die vor Energie schwirren und sich allen Kategorisierungsversuchen widersetzen. Auf seinem neuen Album “Soul Shelter” spielt er beide Instrumente oftmals parallel und erzeugt über Pedale zusätzliche Spezialeffekte. So vermählt er in Echtzeit die elektrischen Sounds des einen Instruments mit den akustischen des anderen. Dabei beweist er nicht nur, dass er ein Meister des solistischen Spiels ist, sondern zugleich auch seine Originalität, die ihn zu einem der kreativsten Musiker der zeitgenössischen Jazzszene Europas machte.
Das Soloalbum als Reflexion der wahren Identität eines Künstlers
“Soul Shelter” reflektiert die Identität von Bojan Z – und dies vielleicht mehr, als er selbst sich dessen bewusst ist. Ein Soloalbum spiegelt oft das wahre Wesen eines Künstlers wider. Und auf “Soul Shelter” zeigt Bojan Z die vielen Gesichter, die ihn zu einem so originellen Künstler machen: das des Musikers, der sich dem Jazz hingegeben hat, weil er ihm seltene Freiheit gewährt; das des Pianisten, in dem die Volksmusik des Balkans eine unvergleichliche rhythmische Virtuosität hervorgebracht hat; das des Performers, der die klassischen Einflüsse verinnerlicht hat, die ihn an seinen toten Vater und die ungarischen Romanzen erinnern, die er sich als Kind auf dem Klavier aneignete; das des Reisenden, dessen Inspirationsquellen von einem Melodiefragment, das er von einem bulgarischen Kavalflötenspieler aufgeschnappt hat, über einen perkussiven Chaabi-Rhythmus der arabisch-andalusischen Musik bis zu einem aus dem Mississippi-Delta aufsteigenden Blues reichen.
Musik als Mittel, um Menschen und Kulturen einander näher zu bringen
Aus dem Zusammenfluss verschiedener Kulturen bezieht Bojan Z eine gewaltige Anzahl an Referenzen, ohne dass seine Musik deshalb wie eine artifizielle Collage klingt; sie hat den Klang eines persönlichen Idioms, eine Ausdrucksform, in der “Worte” aller möglichen “Sprachen” vorkommen und sich zu einem Bild von dem zusammenfügen, für das er selbst steht: Ein Mann, der in der Lage ist, in ein und derselben Diskussion vom Arabischen, Italienischen, Englischen und Serbischen Gebrauch zu machen und im Meer der Sprachen, die ihm in den Sinn kommen, fischt, um genau den Ausdruck zu finden, der für seine Ideen der geeignetste scheint. Es sollte niemanden überraschen, dass er dieses Album mit einem weniger bekannten Duke-Ellington-Thema beendet: “On A Turquoise Cloud” ist ein Stück, das Bojan Z von einem Arrangement für ein Orchester und eine Sängerin so reduziert hat, dass er es als Solist auf dem Piano spielen kann. Es ist sein Tribut an einen Komponisten, der Musik für das beste Mittel hielt, Menschen und ihre Kulturen einander näher zu bringen. Das ist eine Ambition, die auch dem Pianisten Bojan Z nie fremd gewesen ist. Und mit “Soul Shelter” wird er ihr auf wunderbare Weise gerecht.