Brandee Younger | News | Hommage an Dorothy Ashby - flirrend schöne Klänge und moderne Grooves

Hommage an Dorothy Ashby – flirrend schöne Klänge und moderne Grooves

Auf “Brand New Life”, ihrem zweiten Album für Impulse! Records, haucht die Harfenistin Brandee Younger u.a. Klassikern und nie zuvor aufgenommenen Songs ihres Idols Dorothy Ashby brandneues Leben ein.
Brandee Younger
Brandee Younger(c) ERIN OBRIEN
05.04.2023

Das Album “Brand New Life” auf LP und weiteres von Impulse! Records finden Sie in unserem JazzEcho-Store.

Eine Frau, noch dazu Afro-Amerikanerin! Und dann spielte sie zu allem Überfluss dieses seltsame Saiteninstrument, das ein Großteil des Publikums bis dahin vor allem mit dem Komiker Harpo Marx verband. Oh Gott!!! So mag mancher gedacht haben, als Dorothy Ashby 1952 mit ihrer Harfe in die von Männern dominierte Jazzwelt einfiel. Ashby musste sich damals gleich einer dreifachen Herausforderung stellen, um Vorurteile zu überwinden. In den gut 70 Jahren, die seitdem verstrichen sind, hat sich so einiges zum Positiven gewendet. Frauen, nicht zuletzt afro-amerikanische, spielen im Jazz als Instrumentalistinnen, Komponistinnen, Bandleaderinnen und Arrangeurinnen selbstbewusst eine viel bedeutendere Rolle. Nur die Harfe hat ihren “Exotenstatus” immer noch nicht ablegen können. Doch genau daran versucht Brandee Younger, ihrem großen Vorbild Dorothy Ashby folgend, endlich etwas zu ändern.
Wobei sie sich nicht auf das Genre Jazz beschränkt, sondern auch im Rhythm’n’Blues, Neo-Soul, Pop und Hip-Hop eine Lanze für ihr Instrument brechen möchte. Ihre Brillanz und ihren Appeal zeigte Brandee bisher auf  sechs eigenen Alben und durch Zusammenarbeiten mit u.a. Pharaoh Sanders, Charlie Haden und Ravi Coltrane, aber auch Beyoncé, John Legend, Common, Drake und Lauryn Hill. Und dem Ziel ihrer erklärten Mission kommt sie nun auf “Brand New Life”, ihrem zweiten Album für Impulse! Records, einen großen Schritt näher.
Auf ihrem gefeierten Impulse!-Debüt “Somewhere Different” (2021), für das sie vergangenes Jahr ihre erste Grammy-Nominierung erhielt, beschränkte sich Brandee Younger ausschließlich auf Originale, wobei sechs der acht Songs von ihr selbst stammten. Dennoch schwebte über der Musik des Albums der Geist der 1986 gestorbenen Dorothy Ashby. Diesmal geht Brandee bei ihrer Hommage weitaus expliziter zur Sache. Zum einen stellt sie hier zwei nie zuvor aufgenommene Kompositionen ihres Idols (“You’re A Girl For One Man Only” und “Livin’ And Lovin’ In My Own Way”) und ein Stück von einer obskuren Single (“Running Game”) vor. Zum anderen interpretiert sie drei ikonische Nummern von Ashbys bekanntesten Alben: “Come Live With Me” von “Afro-Harping” (1968), Michel Legrands “The Windmills Of Your Mind” von “Dorothy’s Harp” (1969) und “Dust” von dem ungewöhnlichen Klassiker “The Rubáiyát Of Dorothy Ashby” (1970), der in Kürze in der Reihe Verve By Request auf Vinyl wiederveröffentlicht wird. Darüber hinaus wartet Brandee mit einer wirklich magischen Solo-Darbietung von Stevie Wonders “If It’s Magic” auf, einem Stück, das dieser 1976 mit Dorothy Ashby für sein Hit-Album “Songs In The Key Of Life” aufgenommen hatte. Abgerundet hat Younger das farbige Programm mit zwei eigenen Kompositionen: “Brand New Life” und “Moving Target”.
Zur Seite standen der Harfenvirtuosin bei der Aufnahme zeitgenössische Jazzmusiker wie Schlagzeuger Makaya McCraven (der das Album auch produzierte), Bassist Rashaan Carter, Vibraphonist Joel Ross und DeSean Jones an der Querflöte. Als illustre Gäste wirkten außerdem noch die Sängerinnen Meshell N’degeocello und Mumu Fresh, Bassist Junius Paul, Hip-Hop-Legende Pete Rock, Violinist Yuri Popowycz und Produzent 9th Wonder mit.
Ihre Faszination für Dorothy Ashby und ihre Musik entwickelte Brandee schon als junge, aufstrebende Harfenistin. “Ich wollte immer das spielen, was ich im Radio hörte”, verrät die mittlerweile 39-Jährige. “Ich nahm zum Unterricht regelmäßig CDs mit, auf denen Sachen waren, die ich lernen wollte. Und mein Lehrer transkribierte sie für mich, um mir eine Freude zu machen. So konnte ich neben meinen Etüden auch diese populären Melodien spielen. Als ich Dorothy Ashby entdeckte und mich in ihre Aufnahmen vertiefte, wurde mir bewusst, was auf ernsthafter Ebene möglich war. Es war atemberaubend. Sie spielte die Musik ihrer Zeit und machte sie zugleich zu ihrer eigenen, unabhängig vom Genre. Mir gefiel sehr, was Del Shields 1968 im Klappentext von ‘Afro-Harping’ schrieb: ‘Miss Ashby verdient einen Platz an der Sonne, nicht weil sie eine Frau ist, sondern wegen ihrer Fähigkeit, der Welt einen Sound zu bieten, der eine klare Stimme in der Wildnis des faden Kommerzes ist.’ Damit hatte er absolut recht.” Und dasselbe ließe sich nun auch über Brandee Younger und die Musik von “Brand New Life” sagen.
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