Seit 1998 sind Branford Marsalis und Joey Calderazzo schon musikalische Partner im Quartett des Saxophonisten. Doch auf die eigentlich naheliegende Idee, es auch einmal ohne Bass und Schlagzeug im Duo zu versuchen, kamen sie nicht etwa im Proberaum, sondern an einem für Jazzmusiker eher ungewöhnlichen Ort: einem Golfplatz. “Branford und ich nahmen als Team an einer Reihe von Golfturnieren für Prominente teil”, klärt Pianist Calderazzo auf. “Und das brachte uns auf die Idee, es auch musikalisch als Duo zu probieren.” Glücklicherweise haben sie es nicht beim “probieren” belassen, sondern nach einigen Live-Auftritten als Duo auch ein Album mit dem Titel “Songs Of Mirth And Melancholy” eingespielt.
Zuvor hatte Branford schon zweimal Aufnahmen in diesem Format gemacht: 1995 mit seinem Vater Ellis und zehn Jahre später mit seinem alten New Orleanser Buddy Harry Connick Jr. “Mit Joey kann ich musikalisch allerdings völlig andere Richtungen einschlagen”, sagt der Saxophonist. “Es gibt ja nun reichlich Duo-Aufnahmen, die so klingen, als ob die Rhythmusgruppe einfach nur ausgeblendet worden sei. Da nehmen die Musiker dann gar nicht die Vorteile des Formats wahr, sondern spielen genau dieselben Chorusse. Sie tun einfach so, als ob der Bassist und der Schlagzeuger noch dabei wären. Das Ziel kann aber doch nicht sein, genau so zu spielen wie sonst auch. Man muss anders mit einander kommunizieren. Wenn man sich einmal mit der Form vertraut gemacht hat, kann man einfach auf einander reagieren. In einer größeren Gruppe schafft man das so nicht.”
“Branford hat mich aus der Reserve gelockt”, ergänzt Calderazzo. “Meine Fähigkeit, Musik zu machen, ist jetzt weitaus besser als zu dem Zeitpunkt, als ich zur Band stieß. Heute verstecke ich mich nicht, riskiere sehr viel mehr und sehe zu, wie ich mich aus der Affäre ziehe. Das ist das Großartige am Älterwerden. Ich mache mir keine Gedanken mehr darüber, was das Publikum denken könnte, falls ich mal Mist baue. Ich konzentriere mich stattdessen einfach darauf, mein Bestmögliches zu geben.”
Mit “One Way” steuerte der Pianist das wohl konventionellste Jazzstück zum Repertoire des Duos bei, zu dessen Highlights noch zwei Uptempo-Nummern gehören: Marsalis’ “Endymion” und Calderazzos “Bri’s Dance”. Darüber hinaus interpretiert das Duo Wayne Shorters “Face On The Barroom Floor”, eine Nummer vom Weather-Report-Album “Sportin’ Life” und schon lange einer von Marsalis’ Favoriten.
Der programmatische Schwerpunkt sind auf “Songs Of Mirth And Melancholy” allerdings die Balladen, die einen Bezug zur romantischen Musik des 19. Jahrhunderts und Werken von Robert Schumann, Franz Schubert und Frederic Chopin verraten. Am deutlichsten tritt dieser Bezug zur klassischen Musik natürlich in “Die Trauernde” zutage, einer frühen Komposition von Johannes Brahms. Und die wiederum war, wie Branford Marsalis überraschend behauptet, “die Inspiration dafür, wie das Duo an alles herangeht”.