Die Musik und insbesondere der Jazz wurden Branford Marsalis sozusagen schon in die Wiege gelegt. Und diese Wiege stand in Breaux Bridge/Louisiana, nicht allzu weit entfernt von New Orleans, wo laut der Legende bekanntlich einst der Jazz selbst zur Welt gekommen war. Schon sein Großvater, der am 19. September 2004 im Alter von 96 Jahren in New Orleans verstorbene Ellis Marsalis Sr., war ein Jazzmusiker gewesen, auch wenn er im Gegensatz zu seinem Sohn Ellis Jr. und den Enkeln Branford, Wynton, Delfeayo und Jason nie über den Status eines Amateurs hinausgelangt ist.
Branford wurde am 26. August 1960 als erster der hochmusikalischen Marsalis-Rasselbande geboren. Ein Jahr später erblickte der ernste Wynton das Licht der Welt, 1965 der spätere Posaunist Delfeayo und 1977 schließlich Nesthäkchen Jason, der die Familienband eines Tages als Schlagzeuger komplettieren sollte.
Branford und Wynton tauchten in den frühen 80er Jahren mit einem Paukenschlag auf der Jazzszene auf und waren Teil der damaligen “Young Lions”-Bewegung, die sich die Pflege und behutsame Fortentwicklung des traditionellen Jazz auf die Fahnen geschrieben hatte. In der Band des Schlagzeugers Art Blakey spielte Branford zunächst Alt- und Baritonsaxophon, bevor er zu Tenor und Sopran wechselte. Anders als seinem ein Jahr jüngeren Bruder Wynton wurde Branford das Korsett des traditionellen Jazz aber schon bald viel zu eng. Seinen ersten notorischen Ausreißversuch unternahm er 1983, als er Miles Davis (der von Branfords Bruder Wynton nicht gerade eine hohe Meinung besaß) bei der Einspielung des Albums “Decoy” begleitete. Zu noch mehr Diskussionen müssen im Hause Marsalis dann aber die musikalischen Unternehmungen geführt haben, die der Saxophonist ab Mitte der 80er Jahre initiierte, als er begann mit Pop-Größen wie Sting und Tina Turner zusammenzuarbeiten. Vor allem durch die mit Sting gemachten Aufnahmen fiel eine gute Portion Pop-Ruhm aber auch für Branford Marsalis ab. Und dieser Ruhm wiederum öffnete ihm in der Zukunft zahlreiche Türen.
Auf seinen eigenen Soloalben (sein erstes nahm er 1983 unter dem Titel “Scenes In The City” für Columbia auf) präsentierte sich Branford stets als traditionsbewußter Modernist. 1992 verpflichtete ihn der weltbekannte amerikanische Talkmaster Jay Leno, die Band seiner “Tonight Show” zu leiten (heute hat diesen Job der Gitarrist Kevin Eubanks inne). Zwei Jahre hielt Branford, der sich nebenbei in Filmen wie “School Daze” und “Throw Mama From The Train” auch als Schauspieler versuchte, diesen belastenden Job aus, dann verabschiedete er sich von Leno, um sich endlich wieder seiner eigenen Musik widmen zu können. Unter dem Pseudonym Buckshot LeFonque (das er sich von Cannonball Adderley geliehen hatte) reüssierte er 1994 mit einem der brillantesten Fusion-Alben des Jazz der letzten letzten 30 Jahre.
2002 gründete Branford Marsalis, dem Vorbild anderer Jazzmusiker folgend, sein eigenes Label Marsalis Music, auf dem er als erstes sein neues Album “Footsteps Of Our Fathers” veröffentlichte. In den seitdem verstrichenen Jahren brachte er dort nicht nur seine eigenen Werke sowie eines des gesamten Marsalis-Clans heraus, sondern auch Alben einiger Freunde und musikalischer Partner: von dem Pianisten und Sänger Harry Connick Jr., dem Altsaxophonisten Miguel Zenón, dem Pianisten Joey Calderazzo sowie dem Gitarristen und Sänger Doug Wamble. Der Katalog des Labels Marsalis Music ist zwar noch recht klein, aber dafür durch und durch fein. Die Produktionen von Marsalis Music werden in Deutschland nun von Universal Jazz vertrieben. Zum Start dieser Kooperation wird erst einmal der gesamte Backkatalog veröffentlicht. In den kommenden Wochen erscheinen außerdem drei DVDs von Branford Marsalis, dem Marsalis-Familienclan sowie dem Duo Harry Connick Jr. und Branford Marsalis. Anfang 2006 ist die
“Eternal” ist ein Balladenalbum der etwas anderen Art, was allein schon die Liste der bereits verstorbenen Musiker zeigt, denen Branford Marsalis diese Aufnahmen widmete: in ihr findet man u.a. die Namen des Art Ensemble Of Chicago-Bassisten Malachi Favors, des Coltrane-Schlagzeugers Elvin Jones, des Sopransaxophonisten Steve Lacy, des Pianisten James Williams und des großen Ray Charles. Eingespielt hat Branford Marsalis dieses wahrlich unter die Haut gehende Album, das sowohl Originale als auch Jazzstandards enthält, im Oktober 2003 mit Pianist Joey Calderazzo, Bassist Eric Revis und Schlagzeuger Jeff “Tain” Watts. Neu aufgelegt werden außerdem Branfords ältere Alben “Footsteps Of Our Fathers” (von 2001) und “Romare Bearden Revealed” (2003) sowie die CD-Version von “A Jazz Celebration”, an deren Einspielung sämtliche Musiker der Marsalis-Familie beteiligt waren.
Der junge, aus Puerto Rico stammende Altsaxophonist Miguel Zenón unternahm seine ersten professionellen Schritte als Mitglied des bekannten Either/Orchestra und gilt heute als eines der aufregendsten Altsaxophon-Talente der New Yorker Jazzszene. Derzeit ist er u.a. Mitglied von Charlie Hadens Liberation Music Orchestra. “Jíbaro”, sein zweites Soloalbum für Marsalis Music nach “Ceremonial” (2003), ist Zenóns musikalische Hommage an seine Heimat Puerto Rico. In zehn originellen Eigenkompositionen, die er mit einer ganz normalen Jazzinstrumentierung einspielte, versuchte Miguel Zenón hier Musik im Geiste der traditionellen kreolischen Música Jíbara Puerto Ricos zu kreieren. Begleitet wird der Altsaxophonist von venezolanischen Pianisten Luis Perdomo, dem österreichischen Bassisten Hans Glawischnig und dem mexikanischen Schlagzeuger Antonio Sánchez.
Der in Clarksville/Tennessee zur Welt gekommene Gitarrist und Sänger Doug Wamble ist ein Jazztraditionalist im besten Sinne, weil er sich auch Neuerungen gegenüber aufgeschlossen zeigt. So ist es für ihn nichts Ungewöhnliches oder Widersprüchliches, an einem Tag mit einem Traditionalisten wie Wynton Marsalis ins Studio zu gehen und am anderen dasselbe mit einem anarchischen Avantgardisten wie John Zorn zu tun. Auch mit den Vokalistinnen Cassandra Wilson und Madeleine Peyroux war Doug Wamble schon zu hören. Seinen Einstand bei Marsalis Music gab Wamble 2003 mit dem höchst originellen, jazzigen Country-Blues-Album “Country Libations”. Auf “Bluestate” ist die Musik urbaner und moderner, das Repertoire enthält neben Songs von Wamble auch Coverversionen von Peter Gabriels “Washing The Water” und Stevie Wonders “Have A Talk With God”. Als Gitarrist erinnert Wamble mal mehr an sein großes Vorbild Charlie Christian und dann wieder an eher an Pat Metheny. Realisiert hat Wamble das Album mit Musikern, mit denen er schon seit seiner College-Zeit zusammenspielt. Bei einem Stück steigt auch Produzent Branford Marsalis in die Session mit ein.
Neu aufgelegt werden außerdem “Other Hours” von Harry Connick Jr. und “Haiku” von Joey Calderazzo. Auf erstgenanntem Album, das den Untertitel “Connick On Piano, Volume 1” trägt und aus dem Jahr 2003 stammt, präsentiert sich Harry Connick Jr., der von Saxophonist Ned Goold, Bassist Neal Caine und Schlagzeuger Arthur Latin begleitet wird, in erster Linie als Pianist und nicht wie gewohnt als Sänger. “Haiku” wiederum ist ein brillantes, im Jahre 2002 eingespieltes Piano-Solo-Album, auf dem Joey Calderazzo neben sechs Eigenkompositionen und zwei Jazzstandards auch Originals von Kenny Kirkland und Branford Marsalis interpretiert.