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Carla Bley – kammermusikalische Kabinettstücke

“Life Goes On” präsentiert drei wunderbar humorvolle Suiten aus der Feder der einzigartigen Carla Bley, die sie im Trio mit Andy Sheppard und Steve Swallow eingespielt hat.
Carla Bley
Carla BleyCaterina di Perri / ECM Records
12.02.2020
“Life Goes On” ist das dritte Album in einer Reihe, die 2013 mit “Trios” begann und 2016 mit “Andando El Tiempo” fortgesetzt wurde. Erneut in Lugano aufgenommen und von Manfred Eicher produziert, bietet es markante neue Musik der amerikanischen Komponistin und Pianistin Carla Bley. Ihr Trio mit dem Saxophonisten Andy Sheppard und dem Bassisten Steve Swallow kann schon auf eine lange gemeinsame Geschichte zurückblicken (das erste Album in dieser Konstellation war 1994 “Songs With Legs”). Bley hat bereits für Ensembles der verschiedensten Größenordnungen komponiert, aber im Laufe der Zeit kristallisierte sich das Trio als das ideale Format heraus, um die Essenz ihrer Arbeiten zum Ausdruck zu bringen. Auf “Life Goes On” wird Carlas unverwechselbares Klavierspiel, das mitunter an die lakonische Musiksprache von Thelonious Monk oder Erik Satie erinnert, durchweg wunderbar von Swallows ebenso eloquenter wie eleganter Bassgitarre und Sheppards sehnsuchtsvollen Saxophonen flankiert. Dieses Trio hat einen einzigartigen kollektiven Klang, der – wie der britische Telegraph kürzlich feststellte – eine “musikalische Meisterschaft von seltener Qualität” widerspiegelt.
“Wir haben gelernt, gemeinsam zu atmen, wenn wir spielen”, erzählte Carla Bley unlängst der Charleston City Paper. “Wenn ich für uns komponiere, höre ich unsere Stimmen in meinem inneren Ohr. Ich genieße insbesondere den Gesprächsfluss, den das Trio-Format ermöglicht. Wir sind im Grunde genommen ein Kammermusikensemble, und das erlaubt mir, für uns Musik zu schreiben, die frei ist von Bombast und Übertreibungen. Musik, die auf ihre Grundelemente reduziert ist. Dieses Format erfordert es auch, dass wir als Spieler gemäß dem Charakter jedes einzelnen Liedes improvisieren. Und das ist zum einen eine Herausforderung und an einem guten Abend auch eine große Befriedigung.”
Die hier vorgestellten neuen Kompositionen, die allesamt aus Carlas Feder stammen, nehmen die Form dreier Suiten an. Jede von ihnen wurde von dem Trio bei Konzerten und Festivalauftritten in den USA und Europa ausgiebig ausgelotet und feinabgestimmt. Erst danach erfolgten im Mai 2019 die Aufnahmesessions im Auditorio Stelio Molo RSI in Lugano.
“Das ist Musik, die wir in den vergangenen drei Jahre vorbereitet haben”, verriet Carla Bley DownBeat, als das Trio im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50jährigen Jubiläum von ECM beim Big Ears Festival in Knoxville/Tennessee auftrat. “Der Grund dafür, dass wir touren, ist, dass wir die Musik so jede Nacht üben und weiter verbessern können. Wenn die Musik erst einmal aufgenommen wurde, ist sie nicht mehr zu ändern.” Auch wenn Letzteres angesichts des Improvisationsvermögens der drei Musiker eher unwahrscheinlich ist, hat eine solche Aufnahme doch einen definitiven Charakter.
“Life Goes On” beginnt mit dem stoischen Klang eines 12-taktigen Blues. Das Titelstück des Albums hatte Carla geschrieben, als sie sich von einer Erkrankung erholte. In dem für sie typisch skurrilen Booklet-Text – der diesmal in Reimforn daherkommt – spielt sie darauf an. “Die ganze Suite strahlt ein optimistischeres Gefühl aus als das melanncholisch-schwermütige ‘Andante El Tiempo’”, befand der Kritiker Jack Kenny in Jazz Views nach einem Auftritt des Trios in London. “Die beiden Mittelteile, ‘On’ und ‘And On’, sind mit Esprit und Humor geschrieben. Der letzte Teil, ‘And Then One Day’, geht von einem Tango in einen ruhigeren Rhythmus über. Das ist eine großartige Ergänzung zu Bleys Repertoire, hell und optimistisch.” Während Andy Sheppard in den ersten drei Sätzen mit seinem kraftvollen Tenorsax imponiert, wechselt er für den vierten Satz zu leicht schwebenden Sopranklängen, wobei er sich die instrumentale Führungsrolle mit Steve Swallow teilt, der auf seinem E-Bass eine persönliche, äußerst lyrischen Spielweise entwickelt hat.
“Beautiful Telephones” ist vielleicht die erste Jazzkomposition, die auf einem Zitat des derzeitigen Bewohners des Weißen Hauses beruht. Laut JazzTimes zeigt das Stück “Bley in sardonischer Bestform… Das im Duo mit Swallow vorgestellte getragene und filmische Thema wand sich durch verschiedene elegische Stimmungen, die von einer Reihe von Zitaten – darunter ‘The Star-Spangled Banner’ und ‘Yankee Doodle’ – durchbrochen wurden.” Carla Bley selbst beschreibt es als “ein Stück, in dem es erst begeistert und dann ungeduldig und dann wieder begeistert zugeht und sich dann alles verändert. Nichts bleibt so, wie es ist, denn wegen der kurzen Aufmerksamkeitsspanne des Präsidenten müssen wir auch die Musik schnell ändern.”
In der dritten Suite, “Copycat” betitelt, erkunden die Musiker schließlich auf neue Art und Weise die Idee des “Call & Response”-Prinzips, indem jeder improvisierend die Gedanken der anderen fortspinnt. Das verleiht den Imitationsspielen, die Bestandteil der Jazzinteraktion sind, einen leicht surrealen Dreh, wenn die Musiker Phrasen zum Kommentieren und Elaborieren untereinander herumreichen.