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Biografie

Charles Lloyd
Charles Lloyd
Noch nie habe er so gut wie gerade jetzt geklungen, ist immer wieder in der Presse zu lesen, wenn von Charles Lloyd die Rede ist. Solche Komplimente hat der Saxofonist und Flötist in den zurückliegenden sieben Jahren, seit er für Blue Note aufnimmt, für seine spannenden Projekten oft erhalten. Der Tiefgang seines Sounds und der Fantasiereichtum seiner Improvisationen spiegeln die breit gefächerten Erfahrungen wieder, die er im Laufe seiner acht Jahrzehnte umspannenden Karriere machen konnte. Mit 84 Jahren ist er inzwischen längst in einem Alter, in dem er sich auf seinen Lorbeeren ausruhen oder zumindest etwas kürzer treten könnte. Daran scheint Lloyd aber keinen Gedanken zu verschwenden. Der vitale Veteran schaltet lieber stets noch einen Gang höher. Mit Aufnahmen von gleich drei neuen Trios wird er dieses Jahr die Jazzwelt erfreuen. Den Reigen eröffnet er am 24. Juni mit “Trios: Chapel”, auf dem ihm Gitarrist Bill Frisell und Bassist Thomas Morgan zur Seite stehen. Am 26. August folgt dann das Album “Trios: Ocean” mit dem Diana-Krall-Gitarristen Anthony Wilson und Pianist Gerald Clayton. Und am 28. Oktober schließlich noch das Album “Trios: Sacred Thread”, auf dem Lloyd mit dem Gitarristen Julian Lage und Tabla-Großmeister Zakir Hussain zu hören sein wird.
Der am 15. März 1938 in Memphis, Tennessee, geborene Charles Lloyd entdeckte schon früh die Musik als Ausdrucksform für sich und begann mit zehn Jahren Saxofon zu spielen. Erste professionelle Erfahrungen sammelte er als Teenager zunächst in lokalen Rhythm’n'Blues-Bands, dann mit Größen wie B.B.King, Howlin' Wolf und Bobby Blue. 1956 zog er nach Los Angeles, um Musik zu studieren, und befreundete sich dort in einer Epoche, als die Blaupausen für musikalische Freiheit neu entworfen wurden, mit den Free-Jazz-Pionieren Ornette Coleman, Don Cherry, Charlie Haden und Billy Higgins. Als 22-Jähriger übernahm er 1960 von Eric Dolphy die musikalische Leitung der angesagten Band des Schlagzeugers Chico Hamilton, in der er sich auch als origineller Komponist profilierte.
Nach einer Zwischenstation im Sextett von Cannonball Adderley gründete Lloyd sein bahnbrechendes Quartett mit Keith Jarrett, Jack DeJohnette und Cecil McBee, mit dem er 1967 als erster Jazzmusiker überhaupt im berühmten Fillmore West in San Francisco auftrat und wie ein Popstar gefeiert wurde. Von dem Album “Forest Flower” wurden über eine Million Exemplare verkauft. Es folgten Zusammenarbeiten mit Rock- und Poplegenden wie The Doors The Byrds und den Beach Boys. Außerdem teilte er die Bühne mit Jimi Hendrix, Janis Joplin, The Cream, The Grateful Dead und Jefferson Airplane. Auf der Höhe seiner Popularität zog sich Lloyd dann plötzlich, desillusioniert von den “Nebenwirkungen des Erfolgs”, aus der Öffentlichkeit in die bewaldeten Berge von Big Sur an der Küste Zentralkaliforniens zurück, um dort in der Abgeschiedenheit zu meditieren und Musik zu machen.
Rund zehn Jahre lang ließ Lloyd nur sehr sporadisch von sich hören. Dann gelang es 1982 dem jungen französischen Pianisten Michel Petrucciani, ihn zur Rückkehr auf die Szene zu bewegen. Die Kollaboration brachte zwei Live-Alben hervor. Sein wahres Comeback startete der Saxofonist dennoch erst 1989, als er einen neuen, langfristigen Plattenvertrag mit dem Münchener Label ECM abschloss, für das er in den folgenden 25 Jahren etliche brillante Alben einspielen sollte.
2015 wechselte er zum Label Blue Note, für das er 1983 bereits das Live-Album “A Night In Copenhagen” mit Michel Petrucciani und Bobby McFerrin eingespielt hatte. Auf “Wild Man Dance” präsentierte sich Lloyd mit einem neuen Quartett (mit Pianist Gerald Clayton, Bassist Joe Sanders und Schlagzeuger Gerald Cleaver) und zwei “exotischen” Gästen (dem griechischen Lyra-Virtuosen Sokratis Sinopoulos und dem ungarischen Cimbalom-Spieler Miklós Lukács). Im selben Jahr wurde Charles Lloyd vom National Endowment for the Arts (der einzigen staatlichen Kulturfördereinrichtung der USA) für sein Lebenswerk als NEA Jazz Master geehrt.
Für Furore sorgte der Saxofonist 2016 mit “I Long To See You”. Das Album, auf dem Norah Jones und Willie Nelson gastierten, stellte wieder ein neues, diesmal gitarrenlastiges Ensemble vor: The Marvels mit Bill Frisell und Greg Leisz. Mit der schnell sehr populären Band sollten 2018 und 2021 noch weitere Aufnahmen folgen: “Vanished Gardens” entstand in enger Zusammenarbeit mit der großartigen Sängerin und Songschreiberin Lucinda Williams, während auf  “Tone Poem” The Marvels erstmals ganz unter sich waren. Zwischendurch feierte Lloyd auf “Passin’ Thru” Reunion mit den Musikern seines 2007 gegründeten New Quartet: Pianist Jason Moran, Bassist Reuben Rogers und Schlagzeuger Eric Harland (die beiden letzteren gehören neben Frisell und Leisz auch zu The Marvels). Und 2020 erschien das Doppelalbum “8: Kindred Spirits – Live From The Lobero” mit einem Konzert, das Lloyd 2018 anläßlich seines 80. Geburtstags mit musikalischen Seelenverwandten gegeben hatte, darunter als Gäste der Organist Booker T. Jones (der wie Lloyd aus Memphis stammt) sowie der Bassist und Blue-Note-Präsident Don Was.
(Stand: Juni 2022)
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