Auf “Grateful Deadication” zollt der Detroiter Saxfonist Dave McMurray der Kult-Jamband aus San Francisco auf überraschend jazzig-soulige Weise Tribut.
Dave McMurray - Grateful Deadication (Blue Note Records)
Wenn Sie Dave McMurray vor ein paar Jahren nach seiner Meinung zur Musik von Grateful Dead befragt hätten, wäre seine wahrscheinlichste Antwort ein verlegenes Achselzucken gewesen. Dass er der aus San Francisco stammenden Rockband einmal auf einem ganzen Album Tribut zollen würde, hätte sich der Detroiter Saxofonist da beim besten Willen nicht vorstellen können. Wie es zu “Grateful Deadication” kam, ist in der Tat eine Geschichte für sich, die er am besten in eigenen Worten erzählt.
Denn “Grateful Deadication” ist nicht das Traumprojekt eines lebenslangen Deadheads (so nennen sich stolz die treuesten Fans der Band), sondern das Resultat einer aufregenden Erkundungsreise eines sehr frischen Konvertiten. In der Blütezeit von Grateful Dead, als die Band um Frontmann Jerry Garcia unermüdlich kreuz und quer durch die USA und die Welt tingelte, war McMurray viel zu sehr mit seiner eigenen Karriere beschäftigt. Nachdem er sich in den 1970er Jahren zunächst in der Detroiter Jazz-Avantgarde-Szene herumgetummelt hatte, schloss sich McMurray 1981 Was (Not Was) an, der extravaganten Band des heutigen Blue-Note-Präsidenten Don Was, die selbst einen veritablen Kultstatus erlangte. Parallel begleitete er auf der Bühne oder im Studio legendäre Größen wie B.B. King, die Rolling Stones, Bob Dylan, Iggy Pop, Patti Smith, Bonnie Raitt, Johnny Hallyday, Gladys Knight, Albert King, Nancy Wilson, Bootsy Collins und Herbie Hancock.
So nahm Dave McMurray über Jahrzehnte hinweg nur am Rande wahr, was Garcia, Bob Weir, Phil Lesh, Bill Kreutzmann, Mickey Hart und all die anderen Mitglieder von Grateful Dead so trieben. “Das Lustige ist, dass ich kein langjähriger Fan bin”, gibt er zu. “Ich kannte ihre Hits. Ich erinnere mich daran, dass ich das Video zu ‘Touch Of Grey’ sah und dachte: ‘Wow, das ist schräg.’ Aber im Grunde wusste ich nichts über Grateful Dead. Ich war ziemlich perplex, als ich hörte, dass sie eine solche Anhängerschaft hatten, mit Fans, die der Band tatsächlich von Stadt zu Stadt folgten. Ich fragte mich: ‘Was sehen diese Leute bloß in dieser Band?’ Ich habe es einfach nicht verstanden.”
All das änderte sich erst, als McMurray 2018 mit einer von Don Was zusammengestellten All-Star-Band bei einem Festival in San Francisco auftrat. Als Überraschungsgast gesellte sich Bob Weir zu ihnen auf die Bühne, in dessen neuer Band Wolf Bros Don Was Bass spielt. Auf dem Programm stand u.a. der Dead-Klassiker “Days Between”. Die Nummer faszinierte McMurray so sehr, dass er beschloss, sich intensiver mit der Musik von Grateful Dead zu beschäftigen. Und irgendwann machte es klick: “Die langen Formen und Jams erinnerten mich an Miles Davis, Soft Machine und Weather Report. Das weckte vollends mein Interesse!”
Für “Grateful Deadication” interpretiere McMurray ikonische Songs wie “Fire On The Mountain”, “Dark Star”, “Eyes Of The World”, “Touch Of Grey” und “The Music Never Stopped” auf seine ganz eigene Art, indem er sie mit Elementen von Motown-Rhythm’n'Blues und -Soul sowie Jazz durchtränkte. Zur Seite stand ihm dabei dieselbe Rhyhmusgruppe (Bassist Ibrahim Jones und Schlagzeuger Jeff Canady), die ihn schon 2018 auf seinem fabelhaften Blue-Note-Debüt “Music Is Life” begleitet hatte. Verstärkt wurde sie diesmal aber durch den Gitarristen Wayne Gerard und den Keyboarder Maurice O’Neal, zwei langjährige Weggefährten aus der Detroiter Szene, sowie Pianist Luis Resto und Schlagzeuger Larry Fratangelo, Kollegen aus McMurrays Zeiten bei Was (Not Was). Doch der absolute Höhepunkt des Albums ist wohl die atemberaubende Version von Jerry Garcia und Robert Hunters “Loser”, für die sich McMurray mit der einzigartigen Sängerin Bettye LaVette sowie dem Grateful-Dead-Mitbegründer Bob Weir und seiner Band Wolf Bros zusammentat.