Der Kontrabassist, Cellist, Komponist und Bandleader David “Dave” Holland wurde am 1. Oktober 1946 im englischen Städtchen Wolverhampton geboren. Seine ersten musikalischen Gehversuche machte er mit zehn Jahren als Gitarrist, war aber bald schon von dem noch jungen Instrument Bassgitarre fasziniert und wechselte mit 15 zum Kontrabass. Anfang der Sechziger spielte er zunächst Blues und Rock’n'Roll in einheimischen Bands, entschloss sich daraufhin, von 1965 an an den Guildhall School Musik zu studieren und war daraufhin sowohl in klassischen Orchestern wie in unterschiedlichen Jazz-Formationen zu hören. Musikalisch flexibel traf er mit verschiedenen Stilformen zusammen, arbeitete auf der einen Seite mit Traditionalisten wie Tubby Hayes und Ronnie Scott, auf der anderen mit Free-Experimentatoren wie John Surman, Evan Parker oder Kenny Wheeler.
Im Jahr 1968 passierte ihm das, wovon viele Musiker damals träumten. Der Trompeter Miles Davis hörte ihn während eines Aufenthaltes in London, war angetan von der profunden Musikalität des Newcomers und bot ihm an, in seiner Band zu spielen. Holland nahm das Angebot an, hatte das Glück, quasi über Nacht zur Crème des modernen Jazz zu gehören und blieb bis 1970 bei Davis. In dessen Formationen wirkte er durch Aufnahmen wie “In A Silent Way” und “Bitches Brew” (beide 1969)an der Geburt des Jazz Rocks mit. Darüber hinaus fand er Geschmack an der neuen Offenheit der improvisierenden Musik und gründete 1970 zusammen mit dem Pianisten Chick Corea, dem Saxofonisten Anthony Braxton und dem Schlagzeuger Barry Altschul das kurzlebige, aber einflussreiche Free-Quartett “Circle” (“Paris Concert”, 1972).
Dave Holland wurde zu einer der prägenden Kontrabassisten der gemäßigten Avantgarde. Auf der einen Seite kultivierte seinen sonoren, vokalnahen und wandlungsfähigen Ton, auf der anderen trieb ihn die musikalische Neugier in sehr unterschiedliche Projekte. Holland wirkte in experimentellen Ensembles etwa an der Seite von Paul Bley (1972/73) oder Sam Rivers (1976–80) mit, war durch “Gateway” (1975) mit John Abercrombie und Jack DeJohnette Teil eines der führenden Modern Jazz Trios und wagte als einer der ersten Bassisten unbegleitete Solo-Alben (“Emerald Tears”, 1977; “Ones All”, 1995) aufzunehmen. Seit den achtziger Jahren konzentrierte er sich neben zahlreichen Jobs als Sideman auf seine verschiedenen Quintettbesetzungen. In Fortführung dessen, was er selbst als Juniorpartner von Miles Davis genossen hatte, entdeckte und förderte er in seinen Bands junge Musiker wie die Saxofonisten Steve Coleman (“Jumpin' In”, 1984), Eric Person (“Dream Of The Elders”, 1996), Steve Wilson (“Points Of View”, 1998) oder auch Chris Potter (“Prime Directive”, 1999).
Darüber hinaus ist Dave Holland auf Hunderten von Studioaufnahmen zu hören und sekundierte Kollegen wie Joe Henderson, Pat Metheny, Herbie Hancock, Charles Lloyd oder auch jüngere Koryphäen wie James Carter, Joe Lovano und Gary Thomas. Von 1982 an gab er sein Wissen und seine Erfahrung als Dozent an der Banff School Of Fine Arts weiter, 1987 unterrichtete er am New England Conservatory, im Jahr 2000 bekam er vom Berklee-College in Boston die Ehrendoktor-Würde verliehen. Seine Fähigkeit, sich in Klangwelten einzufinden, die über die afroamerikanische Traditionsbildung hinaus gehen, und die Offenheit, mit der er sich auf zeitgenössische Projekte einlassen kann, machten ihn zum idealen Partner für kammerjazzige Komponisten und Instrumentalisten wie seinen vom Free-Pionier zum Sound-Ästheten gewandelten Landsmann John Surman und den tunesischen Oud-Spieler Anouar Brahem (“Thimar”, 1998). Neben weiteren Quintettaufnahmen (“Not for Nothin'”, 2001; “Extended Play”, 2003) verwirklichte Dave Holland sich 2001 einen lang gehegten Traum und gründete zunächst im Auftrag des Monterey Festivals eine eigene, aus New Yorker Szene-Profis bestehende Big Band, mit der er 2005 auf dem eigens gegründeten Label Dare2 das Album “Overtime” veröffentlichte.