“Wenn mich jemand fragen würde, was
Ray Charles – oder Rays Musiker – mir bedeuteten, dann könnte meine Antwort lauten: ‘Only everything’ – einfach nur alles”, erklärt der Altsaxophonist
David Sanborn den Titel seines neuen Albums. Denn bei einem Besuch eines Konzerts von Ray Charles und seiner Band wurde 1956 Sanborns Leidenschaft für die Musik entfacht. Genauso begeistert wie von Rays Stimme und seinen Songs war er der damals Elfjährige auch von Hank Crawford und David “Fathead” Newman, den beiden Starsaxophonisten der Band. “Beide spielten eine Mischung aus zutiefst ländlichem Blues, geweihter Gospelmusik und großstädtischem Jazz. Die Botschaft dieser Musik traf mich wie ein Blitz: Besorg dir ein Sax!” Mit dem Album
“Only Everything” zollt Sanborn Ray Charles, dem Goliath des Rhythm’n'Blues, und seinen beiden Saxophonisten nun schon zum zweiten Mal Tribut. Und wie beim ersten Anlauf betrachtet er seine musikalischen Wurzeln auch diesmal aus einer neuen Perspektive. Die New York Times nannte das 2008 erschienene Vorgängeralbum “Here And Gone” “ein entwaffnendes Vergnügen”. Jetzt kehrt der Altsaxophonist mit neu entfachter Leidenschaft auf dasselbe Terrain zurück.
“Wenn ich eine Platte mache”, erklärt er, “suche ich nach einem Grundklang und verwende diesen als einigende Quelle, als hörbares Zentrum der Platte. Bei ‘Only Everything’ einigte ich mich mit Phil Ramone, der auch schon ‘Here And Gone’ produziert hatte, darauf, dass dieser Klang der von Joey DeFrancescos Orgel sein sollte. Joey ist meines Erachtens der amtierende König der Hammond-B3-Orgel. Er beherrscht das Instrument komplett. Aber er ist nicht nur in technischer Hinsicht ein bemerkenswerter Spieler, Joey hat auch Gefühl wie kein zweiter. Keiner schafft es härter zu grooven und dennoch spielt auch niemand relaxter als er. Während dies meine erste Aufnahmesession mit Joey war, bilde ich mit Steve Gadd seit Jahren ein Team. Er ist ein bemerkenswerter Schlagzeuger, der ganz im Dienste der Musik spielt. Er koloriert seine Trommeltöne in unaufdringlicher Art und treibt uns noch an, wenn er sich entspannt zurücklehnt.”
Mal spielt Sanborn hier im Trio mit DeFrancesco und Gadd, dann wieder mit einem von Gil Goldstein arrangierten Septett, das eine vierköpfige Bläsergruppe mit den Saxophonisten Bob Malach und Frank Basile, Trompeter Teddy Kadleck und Posaunist Mike Davis umfasst. Als Gäste präsentiert Sanborn auf “Only Everything” erneut die britische Rhythm’n'Blues-Sängerin Joss Stone (sie singt die Nummer “Let The Good Times Roll”) und den singendenden Songwriter James Taylor (der mit “Hallelujah, I Love Her So” zu hören ist).
Das ausgesprochen kurzweilige Repertoire besteht natürlich aus mitreißenden Songs, die durch Ray Charles zu Klassikern wurden. Daneben bietet er aber auch Interpretationen von Hank Crawfords “The Peeper” und das durch die Crusaders bekannt gewordene – hier aber David “Fathead” Newman gewidmete – Stück “Hard Times”. Aus Sanborn eigener Feder stammt schließlich das Titelstück, das der seiner kleinen Enkelin Genevieve widmete. Denn die bedeutet ihm mindestens ebenso viel wie Ray Charles und seine Musik: “Only Everything”!
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