Heiß wie aus dem Druckkochtopf – Detroiter Jazz-Funk ohne Filter
Fast 50 Jahre nach seiner Einspielung erscheint nun zum ersten Mal das Album “Live Cookin’ with Blue Note at Montreux” von Donald Byrd. Anlass: der 90. Geburtstag des Trompeter am 9. Dezember 2022.
Donald Byrd Live: Cookin' with Blue Note at Montreux
08.12.2022
Das Album als Sonderedition in blauem Vinyl und weiteres von Blue Note finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Im Juli 1973 machte sich ein Team von Blue Note Records, angeführt von seinem damaligen Präsidenten George Butler, auf den Weg in die Schweiz, um beim Montreux Jazz Festival einige der Stars des Labels in Showcases zu präsentieren. Die Auftritte wurden unter Butlers Regie für eine Reihe von Alben mitgeschnitten, die alle den Titel “Live: Cookin’ with Blue Note at Montreux” erhielten. Während die Aufnahmen von Vibraphonist Bobby Hutcherson, Hammond-Organist Ronnie Foster, Flötistin Bobbi Humphrey und Sängerin Marlena Shaw in schneller Folge erschienen, verschwanden jene von Donald Byrd aus unerfindlichen Gründen in den Gewölben von Blue Note. Erst jetzt, fast 50 Jahre später, wird “Donald Byrd – Live: Cookin’ with Blue Note at Montreux” zum ersten Mal offiziell veröffentlicht. Gerade rechtzeitig zum anstehenden 90. Geburtstag des Trompeters am 9. Dezember 2022.
“Kurz nach dem Tod von Mr. Byrd am 4. Februar 2013 erhielten wir eine E-Mail von der bekannten britischen Musikikone Gilles Peterson”, erläutert der heutige Blue-Note-Präsident Don Was, der wie Donald Byrd aus Detroit stammt. “Gilles erkundigte sich nach einem legendären Auftritt beim Montreux Jazz Festival 1973. Der Chefkurator von Blue Note, Michael Cuscuna, teilte uns mit, dass dieser Auftritt tatsächlich mitgeschnitten und 1999 von Bob Belden für eine Veröffentlichung abgemischt worden war. Unerklärlicherweise blieb die Aufnahme trotzdem in den Tresoren von Blue Note liegen – bis jetzt. Die Bänder sind wundervoll und zeigen die Musik, die Donald Byrd in den 70ern spielte, von einer viel raueren und härteren Seite als seine Studioaufnahmen…”
Im selben Sommer, als er in Montreux auftrat, hatte Donald Byrd bei Blue Note sein Jazz-Funk-Meisterwerk “Black Byrd” herausgebracht, das bis heute zu den meistverkauften Alben in der Geschichte des Labels gehört. Auf dem innovativen Studioalbum hatte der Trompeter erstmals mit zwei ehemaligen Schülern zusammengearbeitet: dem Produzenten Larry Mizell und dessen Bruder Fonce Minzell. Letzterer war zuvor Mitglied des Produktionsteams The Corporation gewesen, das für zahlreiche Motown-Hits verantwortlich zeichnete. In Montreux trat Byrd mit einem Großteil der Musiker auf, die ihn schon bei der Einspielung von “Black Byrd” begleitet hatten: Larry Mizell an den Synthesizern, Fonce Mizell an Trompete und Gesang, Allan Barnes an Tenorsax und Flöte, Nathan Davis an Sopran- und Tenorsax, Kevin Toney am E-Piano, Barney Perry an der E-Gitarre, Henry Franklin am E-Bass, Keith Killgo am Schlagzeug und Ray Armando an Congas und Perkussion. Viele von ihnen hatten wie die Mizell-Brüder unter Byrd an der Howard University in Washington, D.C. studiert und formierten noch im selben Jahr die Band The Blackbyrds.
Live ging die zehnköpfige Band, wie das mitreißende Set beweist, noch um einiges kraftvoller und freier zur Sache als bei der polierten Studioproduktion. Auf der Setlist stand überraschenderweise nur ein Track des Erfolgsalbums: der von Larry Mizell geschriebene Titel-Hit “Black Byrd”. Ansonsten wurden unbekannte Byrd-Originale wie “The East”, “Kwame” und “Poco-Mania”gespielt (von denen es ansonsten keine Aufnahmen gibt) sowie eine hervorragende Coverversion von Stevie Wonders “You’ve Got It Bad Girl”.
“Als Teenager im Detroit der 1960er Jahre blickten meine Freunde und ich mit demselben großen Respekt zu Donald Byrd auf, den wir auch anderen musikalischen Helden unserer Heimatstadt wie Smokey Robinson, The MC5, Elvin Jones, Mitch Ryder, Aretha Franklin und John Lee Hooker entgegenbrachten”, erinnert sich Don Was. “Sie alle waren erstaunliche Künstler, die das Gesicht der Musik veränderten, indem sie den Sound unserer Stadt in den Rest der Welt exportierten. Die Musik von Donald Byrd war damals allgegenwärtig… Kenner wie der legendäre Jazz-Discjockey Ed Love aus Motor City legten allabendlich Titel wie ‘Nai Nai’ von ‘Free Form’ und ‘Christo Redentor’ von ‘A New Perspective’ auf… Später, in den 1970er Jahren, reicherte Mr. Byrd seine Platten mit einer gesunden Dosis Detroit-Funk an, und seine innovative Musik konnte man überall in der Stadt aus den Autos plärren hören… Er war ein Motor-City-Trompetenrevolutionär, und seine zeitlose Musik wird nie vergessen werden.”