Im Fußball hat es wieder einmal nicht zum Titel gereicht. Im Feiern aber sind Brasilianer die unbestrittenen Weltmeister. Gilberto Gil kann davon mehr als nur ein Lied singen. Auf seinem neuen Album “Fé Na Festa” sind es deren gleich dreizehn geworden.
Noch heute erinnert sich der 68-jährige lebhaft an die Zeit zurück, als er in dem 800-Seelen-Nest Ituaçu im Hinterland Bahias aufwuchs. Dort verbrachte er die ersten acht Jahre seines Lebens. Und den Soundtrack dazu lieferte ihm Luiz Gonzaga, der König des Baião, dessen Musik damals unentwegt aus den allgegenwärtigen Kofferradios plärrte. Gemeinsam mit den anderen Kindern folgte der kleine Gilberto den durch die Ortschaft ziehenden Musikkapellen zu dem Platz, an dem lokale Feierlichkeiten stattfanden. Das Fest der Feste ist für Brasilianer aller Altersgruppen die Festa Junina (Juni-Feier), die man im Nordosten Brasiliens auch Festa de São João (Johannesfest) nennt. Diese Festas Juninas inspirierten Gil zu seiner CD “Fé Na Festa”. Auf dem Album präsentiert der legendäre Tropicalista neben zwei Klassikern der traditionellen nordestinischen Musik (“A dança da moda” von Luiz Gonzaga/Zé Dantas und “Aprendi com o rei” von João Silva) sowie einer Neuaufnahme des Stücks “Norte da saudade” (das er erstmals 1977 für das Album “Refavela” einspielte) zehn neue und selbst komponierte Songs in den Stilen, die für die ausgelassenen Forrós (Tanzveranstaltungen) der Festas Juninas typisch sind: Baiões, Xotes, Xaxados, Cocos.
“Ich wusste, dass die Musik meine Sprache ist”, erinnert sich Gilberto Gil an seine Kindheit zurück. “Ich wusste, dass die Musik mir ermöglichen würde, die Welt kennenzulernen, dass sie mich in andere Länder führen würde. Ich war fest überzeugt, dass es irdische und himmlische Musik gab.“ Und die Baiões von Luiz Gonzaga waren für ihn beides.
Der Baião ist ein Mitte des 19. Jahrhunderts aufgekommener nordostbrasilianischer Tanzmusikstil, der durch die Vermischung von Elementen des afrobrasilianischen Lundu und der europäischen Polka entstand. Der große Luiz Gonzaga (1912–1989) brachte den Stil Mitte der 1940er Jahre wieder in Mode und modernisierte ihn zugleich durch Einflüsse des Samba und der kubanischen Conga. Gespielt wird die Musik in der Regel von einem Ensemble mit Sanfona (Akkordeon), Triangel und einer Zabumba (flache Basstrommel), bei Gilberto Gil kommen aber auch andere, moderne Instrumente zum Einsatz.
Die fröhlichen neuen Stücke von “Fé Na Festa” animierten in Brasilien die diesjährigen Festas Juninas. “Es ist ein Fest, das an der Schnittstelle von Heiligem und Profanem entstanden ist”, erläutert Gilberto Gil. “Auf der einen Seite hat man das Fest mit seinen völlig heidnischen Bräuchen, das jeden Brasilianer an Essen, Tanzen, Sex,Verliebtsein denken lässt… und auf der anderen Seite hat man die Verehrung des Apostel Johannes (São João).” Und was könnte zu einem solchen Fest schon besser passen als die Musik Gilberto Gils, die – dem Vorbild Luiz Gonzagas folgend – zugleich “irdisch und himmlisch” ist?
Bei einer Reihe von Konzerten wird Gilberto Gil das Flair der brasilianischen Forrós im Juli auch nach Deutschland tragen.
12.07.2010 Freiburg, Zelt-Musik-Festival
16.07.2010 München, Tollwood-Sommerfestival
23.07.2010 Zürich (Schweiz), Live at Sunset – Zürich Dolder Eisbahn
27.07.2010 Mainz, KUZ
29.07.2010 Berlin, Zitadelle Spandau
30.07.2010 Bonn, Museumsmeile