60 Jahre Impulse! Records – Creed Taylor als Impuls(e!)geber
Zum 60-jährigen Jubiläum zeichnen wir in einer Artikelserie die Geschichte eines Labels nach, das noch heute Einfluss auf die Entwicklung des modernen Jazz hat.
Impulse! 60
25.02.2021
Seit sechzig Jahren genießt Impulse! Records den Ruf, ein Label von besonderer musikalischer Integrität und anhaltender kultureller Bedeutung zu sein. In diesem Zeitraum wurden bei Impulse! unzählige klassische und bahnbrechende Aufnahmen herausgebracht, die oft die politischen und kulturellen Veränderungen in der Welt widerspiegelten – und sie manchmal gar inspirierten. Dass Impulse! eine solche Bedeutung erlangen würde, hätte sich Creed Taylor, als er das Label im Januar 1961 startete, nicht vorstellen können. “Wenn ich so zurückblicke, muss ich sagen: Ich hätte damals nicht gedacht, dass es so lange bestehen würde”, gestand er 2004 in einem Interview mit All About Jazz.
Der Name Creed Taylor wird heute vor allem mit dem Label CTI Records assoziert, das Taylor 1967 bei A&M Records gegründet hatte, bevor er sich mit ihm 1970 selbständig machte. Einen weitaus tieferen und nachhaltigeren Fußabdruck in der Jazzgeschichte hinterließ Taylor jedoch durch die Arbeit, die er zuvor bei ABC-Paramount geleistet hatte und wo er Impulse! Records aus der Taufe hob.
Eigentlich hatte der 1929 in Lynchburg/Virginia geborene Creed Taylor zunächst mit einer Karriere als Jazztrompeter geliebäugelt. Doch als er sich während seines Psychologiestudiums an der Duke University in Durham/North Carolina in Transkriptionen einiger Soli von Dizzy Gillespie vertiefte, gab er dieses Vorhaben trotz seines durchaus vorhandenen Talents schnell auf. Und so ging er 1954, nach Ableistung seines Militärdienstes und einem postgradualen Studium, nach New York, um einen anderen Traum zu verwirklichen: Schallplattenproduzent zu werden.
Obwohl Taylor in diesem Metier keinerlei Erfahrungen vorweisen konnte, gab ihm Gus Wildi bei seinem frisch lancierten Label Bethlehem Records eine Chance. Und Taylor wusste sie zu nutzen. Schon mit seiner ersten Produktion “Chris Connor Sings Lullabys Of Birdland” – die zugleich auch die erste des Labels überhaupt war – landete er einen Hit. Dank des Erfolges wurde er sofort zum A&R-Chef des Labels befördert, für das er zeitweilig sechs Alben im Monat produzierte, darunter solche von Größen wie Oscar Pettiford, Charles Mingus, Carmen McRae und Herbie Mann.
1956 las Taylor in einer Ausgabe der Branchenbibel Billboard, dass ABC-Paramount ein neues Plattenlabel gegründet hatte undbewarb sich dort selbstbewusst mit den Worten: “Ich bin sehr gut im Produzieren von Jazzplatten, Sie sollten mich einstellen.” Vier Jahre lang produzierte er für ABC-Paramount alles Mögliche zwischen Pop und Jazz. Dann hatte er die Idee zu einem ganz auf Jazz spezialisierten Sublabel, das er erst “Pulse” nennen wollte. Da der Name in der Unterhaltungsbranche aber schon vergeben war, wurde daraus schließlich Impulse! Records.
Die Alben des neuen Labels bewarb Creed Taylor mit dem kessen Slogan “The New Wave In Jazz” und ließ sie in die heute längst ikonischen, aufklappbaren Cover mit dem gleich ins Auge fallenden orange-schwarzen Rücken verpacken. Taylor selbst produzierte nur sieben Alben für Impulse!, bevor er im Laufe des Jahres 1961 schon zu Verve Records weiterzog. Aber diese sieben Alben legten bereits die ästhetischen Parameter für das Label fest und katapultierten es auf Anhieb ins Scheinwerferlicht: “The Great Kai & J. J.” von den beiden Posaunisten J. J. Johnson und Kai Winding, das sensationelle Album “Genius + Soul = Jazz” von Ray Charles, “The Incredible Kai Winding Trombones” von Kai Winding, “Out Of The Cool” und “Into The Hot” von Gil Evans, “The Blues And The Abstract Truth” von Oliver Nelson sowie natürlich “Africa/Brass”, das Labeldebüt des Saxofonisten John Coltrane, der in den folgenden Jahren unter dem neuen Label-Chef und Produzenten Bob Thiele zum größten Star von Impulse! Records aufsteigen sollte. Über diese prägende Phase des Labels soll es in der nächsten Folge unserer Impulse!-Story gehen.