Zum Jubiläum von Impulse! Records zeichnen wir die Geschichte des Labels nach, das noch heute enormen Einfluss auf die Entwicklung des modernen Jazz hat.
Bob Thiele und John Coltrane(c) Chuck Stewart
22.04.2021
Im ersten Teil unserer Impulse!-Story haben wir geschildert, wie Produzent Creed Taylor in nur wenigen Monaten erfolgreich das Fundament für Impulse! Records gelegt hatte. Im November 1961, nach dem Wechsel von Taylor zu Verve Records, übernahm sein Nachfolger Bob Thiele das Ruder und machte Impulse! zu einem der innovativsten Jazzlabels der 1960er Jahre. Der gebürtige New Yorker war schon als Jugendlicher ein echter Jazzenthusiast gewesen.Mit 14 moderierte Thiele bereits Radiosendungen, gab ein eigenes Jazzmagazin heraus und spielte in einer Band auch selbst Klarinette. Mit 17 gründete er dann sein erstes eigenes Label Signature Records, auf dem er Platten von Schwergewichten wie Coleman Hawkins, Earl Hines, Erroll Garner und Lester Young herausbrachte. Was man eben so in diesem Alter macht! Da jugendlicher Elan und ein feines Näschen für guten Jazz aber auch in den 40er Jahren nicht reichten, um ein Label wirtschaftlich über Wasser zu halten, musste Thiele um 1950 die Pforten bei Signature schließen. In den New Yorker Jazzzirkeln hatte er sich trotzdem einen guten Namen erworben. Und so dauerte es nicht lange, bis ihn das renommierte Label Decca als Freelancer anheuerte und Popstars bei seinen Sublabels Coral und Brunswick betreuen ließ. Thiele produzierte dort nicht nur eine Reihe von Hits, sondern entdeckte für das Label auch einen gewissen Newcomer namens Buddy Holly.
Nach zwei kurzen Zwischenstationen bei Dot Records und Roulette Records, holte Creed Taylor Thiele im Sommer 1961 schließlich zu Impulse! Records. Dort wurde dieser dann nur wenig Monate später unverhofft zum neuen Chef befördert. Das erste Album, das er für Impulse! Records produzierte, war gleich ein Werk von historischer Bedeutung: “Coltrane ‘Live’ At The Village Vanguard”. Denn es präsentierte den Saxophonisten erstmal im Zusammenspiel mit allen Musikern seines epochalen Quartetts (Pianist McCoy Tyner, Bassist Jimmy Garrison und Schlagzeuger Elvin Jones) und Bassklarinettist Eric Dolphy als Gast. Die herausfordernde Musik des Albums löste in der Jazzszene ein mittleres Erdbeben aus. Und auch Thiele selbst musste die neuen Töne erst einmal verdauen. “Ich glaube nicht, dass ich länger als eine Woche bei Impulse! war, als wir beschlossen, Coltrane live im Village Vanguard aufzunehmen”, erzählte der Produzent später. “Soweit ich mich erinnere, war ich am ersten Abend geschockt und verwirrt. Aber nachdem ich dranblieb, fing die Musik irgendwann an, mir einzuleuchten.”
Bob Thiele beschwichtigte die aufgebrachten Gemüter schnell mit einer Reihe versöhnlicherer Aufnahmen von Quincy Jones (“The Quintessence”), Benny Carter (“Further Definitions”), Curtis Fuller (“Soul Trombone”), Milt Jackson (“Statements”) und Count Basie (“Count Basie and the Kansas City 7”). Aber auch die drei folgenden Alben von und mit Coltrane – “Coltrane”, “Duke Ellington & John Coltrane” und “Ballads” – glätteten erst einmal die Wogen. Thiele verstand es in der Folge, eine gesunde Balance zwischen eher konventionellen und avantgardistischeren Jazzalben herzustellen.
Zum Herzstück des Impulse!-Katalogs wurde aber unbestreitbar die umfangreiche Dokumentation der Musik von John Coltranes, seiner Protegés und Schüler. Nachdem Thiele das enorme Potenzial des Saxophonisten erkannt hatte, ließ er ihm bei seinen Einspielungen nahezu freie Hand. Und Coltrane bedankte sich dafür mit fantastischen Alben wie “John Coltrane and Johnny Hartman”, “Live At Birdland”, “Crescent”, “Ascension”, “Meditations” und natürlich seinem absoluten Meisterwerk “A Love Supreme”.