Free-Jazz-Quintett mit experimenteller Punk-Mentalität
Mit “Protect Your Light” gibt die von der Poetin, Sängerin und Spoken-Word-Künstlerin Moor Mother angeführte Band Irreversible Entanglements ihren beeindruckenden Einstand bei Impulse! Records.
Irreversible Entanglements(c) Piper Ferguson
07.09.2023
Das Album “Protect Your Light” auf LP und weiteres finden finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Für seine drei selbstproduzierten Studio- und zwei Live-Alben, die Irreversible Entanglements seit 2017 über zwei Indie-Labels herausgebracht haben, wurde die Band in der US-Presse (von Pitchfork über Spin und Wire bis Rolling Stone) und auch international ungewohnt einmütig in den höchsten Tönen gepriesen. Jetzt legt das fünfköpfige Kollektiv mit “Protect Your Light” sein erstes Album bei dem ikonischen Coltrane-Label Impulse! Records vor. Dort haben in jüngerer Vergangenheit schon Shabaka Hutchings mit seinen diversen Bands (Sons Of Comet, The Comet Is Coming und Shabaka & The Ancestors). Brandee Younger, Pino Palladino & Blake Mills und Ted Poor für frischen musikalischen Wind gesorgt. Mit Irreversible Entanglements gesellt sich zu ihnen nun ein Quintett, das auf sehr zeitgenössische und eigene Weise an die revolutionären Impulse!-Alben anknüpft, mi denen Archie Shepp, Pharoah Sanders, Albert Ayler sowie natürlich John und Alice Coltrane die späten 60er und frühen 70er Jahre geprägt haben.
IrreversibleEntanglements (kurz IE genannt) ist eines der musikalischen Gemeinschaftsprojekte von Camae Ayewa, die unter ihrem Bühnennamen Moor Mother in den zurückliegenden gut zehn Jahren als Dichterin, Sängerin, Spoken-Word-Künstlerin, Rapperin, Multiinstrumentalistin und politische Aktivistin zu einer der zentralen Figuren der afroamerikanischen Kultur- und Protestszene aufgestiegen ist. Neben Soloalben und Aufnahmen mit IE und dem Duo 700 Bliss (das sie mit DJ Haram bildet) wirkte Moor Mother, die im vergangenen April als Internationale Künstler(in) des Jahres mit dem Deutschen Jazzpreis 2023ausgezeichnet wurde, auch schon als Gast auf Alben von dem legendären Art Ensemble of Chicago und Sons Of Kemet mit.
Die Entstehung von IE verdankte sich einem glücklichen Zufall. Zusammen mit dem Saxofonisten Keir Neuringer und dem Bassisten Luke Stewart war Moor Mother 2015 bei einer Veranstaltung unter dem Motto “Musicians Against Police Brutality” in Brooklyn aufgetreten. Direkt nach ihnen betrat ein ungewöhnliches lokales Duo die Bühne: Aquiles Navarro & Tcheser Holmes. Ersterer ein aus Panama stammender Trompeter, letzterer ein Schlagzeuger und DJ. Hinter der Bühne stellten die Musiker später fest, dass sie sowohl musikalisch als auch politisch auf gleicher Wellenlänge funkten. Seitdem sind die Mitglieder des Quintetts in zahlreichen Konzerten und bei Aufnahmesessions immer enger zusammengewachsen und heute sozusagen “irreversibly entangled”.
Dies zeigt sich nun auch auf ihrem vierten Studioalbum “Protect Your Light”, das der bekannte britische Musikjournalist Charles Waring auf Soul and Jazz and Funk als “eine aufregende Kollision von hypnotisierendem Spoken-Word-Einlagen, schmetternden Bläserfanfaren und turbulenten Rhythmen” umschrieben hat. Die Band selbst definiert sich übrigens als “Free-Jazz-Quintett mit experimenteller Punk-Mentalität”.
“Protect Your Light” wurde über drei Tage hinweg im Januar 2023 in den historischen Rudy Van Gelder Studios in Englewood Cliffs/New Jersey aufgenommen und ist ein mehr als würdiger Nachfolger der bereitserschienen IE-Alben, die in schöner Regelmäßigkeit die Jahresbestenlisten der US-Musikpresse zierten. Für die Aufnahmen zog das Quitett als Gäste einige der bekannten Mitglieder des weiteren IE-Zirkels hinzu – die Pianistin/Sängerin Janice A. Lowe, den Cellisten Lester St. Louis und die Sängerin Sovei - die dazu beitragen, die dazu beitragen, die musikalischen Fertigkeiten der Band noch mehr zu illuminieren. Die acht Stücke wurden teils von einzelnen Mitgliedern, teils im Kollektiv komponiert, wobei einige Themen brandneu sind, während andere ihren Ursprung den temperamentvollen und vollständig improvisierten Live-Auftritten von IE verdanken. Von den exzellenten Live-Qualitäten, für die Irreversible Entanglements schon seit geraumer Zeit international bekannt sind, können sich Besucher/innen des Jazzfest Berlin am 4. Novemberüberzeugen.