Gut Ding will Weile haben. Aber müssen es denn gleich dreißig Jahre sein, wird sich wohl mancher unwillkürlich fragen, wenn er das ungemein sublime Duo-Album “Mother” hört, das Pianist Jacky Terrasson mit Trompeter Stéphane Belmondo eingespielt hat. Die beiden lernten sich in den 1980ern kennen, als sie gerade begannen sich in der Jazzszene von Paris zu etablieren. Doch schon bald trennten sich die Wege wieder, weil Terrasson für einige Jahre in die USA (das Geburtsland seiner Mutter) ging, um Mitglied der Band des Schlagzeugers Art Taylor zu werden und en passant den Thelonious Monk Piano Competition zu gewinnen. Ein Widersehen feierten die Freunde Mitte der 1990er Jahre in der Band der Sängerin Dee Dee Bridgewater. Dann verloren sie sich erneut aus den Augen, wenn auch nicht aus den Ohren. Bis sich vor sechs Jahren in Südfrankreich die Gelegenheit ergab, als Duo aufzutreten. Es sollte die Initialzündung für das gemeinsame Impulse!-Album “Mother” sein, auch wenn man einmal mehr ein wenig Zeit verstreichen ließ, um es endlich Wirklichkeit werden zu lassen. Immerhin ließ Terrasson Belmondo schon einmal 2012 auf seinem Album “Gouache” gastieren, von dem übrigens auch das Titelstück des neuen Albums stammt.
Ursprünglich hatten Terrasson und Belmondo ihr Album vielsagend “Twin Spirit” getauft. Doch dann starb am 4. Juni unerwartet die Mutter des Pianisten und so entschied man sich spontan dazu, das Album nach dem Stück “Mother” zu benennen, das Terrasson vor ein paar Jahren für sie geschrieben hatte. Auch bei der Auswahl des Materials für das Album warf das Duo frühere Pläne über den Haufen: “Wir hatten im Laufe von drei Tagen mehr als dreißig Songs aufgenommen und stellten fest, dass die Balladen großartig klangen”, verrät Terrasson. “Sie hatten eine gewisse Schönheit und Atmosphäre. Also beschlossen wir, alle Up-Tempo-Nummern rauszuschmeißen und dem Album von Anfang bis Ende eine Tönung zu geben, und zwar eine intime, romantische und entspannte…”
Dabei ist das Repertoire dennoch erstaunlich breit gefächert: es enthält Jazzstandards (u.a. Dave Brubecks “In Your Own Sweet Way”, Charlie Hadens “First Song” und Stéphane Grapellis “Les valseuses”), französische Chansons (Charles Trenets “Que reste-t-il de nos amours” und Philippe Sardes Filmthema “La chanson d’Helene”) und sogar eine ungewöhnliche Interpretation von Stevie Wonders “You Are The Sunshine Of My Life”. Für seine eigenwilligen Coverversionen ist Jacky Terrasson freilich längst bekannt. “Es ist wie alles, was ich mache”, meint er lachend. “Ob es nun ein Stück von Stevie ist oder von Monk. Warum sollte man es überhaupt spielen, wenn man ihm nicht seinen eigenen Dreh verpasst?” Eingestreut haben Terrasson und Belmondo zwischen diese Klassiker aber auch ganz eigene Kompositionen und in freier Improvisation entstandenen Titel.