Ein Jahr nach seinem mit mehreren Preisen ausgezeichneten ECM-Debüt “Gefion” meldet sich der dänische Gitarrist Jakob Bro schon mit einem atemberaubenden neuen Album zurück. Wie schon bei “Gefion” liegt der Schwerpunkt bei “Streams” ebenfalls auf Melodie, Klang, Raum, übereinander geschichteten Texturen und Interaktion. Allerdings hat Bro mit dem Bassisten Thomas Morgan mittlerweile ein dermaßen inniges musikalisches Verständnis entwickelt, dass es die beiden nun schaffen, ad hoc improvisatorische Ideen zu entwickeln. Hinzu kommt, dass Jakob Bro in Joey Baron einen neuen Schlagzeuger gefunden hat, der dem Trio viele andere Impulse gibt.
“Ich habe Musik immer als etwas Ganzheitliches betrachtet”, sagt Jakob Bro, “nicht als ein Vehikel, um mein gitarristisches Können zur Schau zu stellen. Es ist mir wichtig, dass beim Erschaffen der Musik jeder in der Gruppe dieselbe Verantwortung hat. Wir haben jetzt schon viel gespielt, und die Stücke ändern sich ständig. Ich mag es, für uns Stimmungen und Texturen zu entwerfen und sie dann mit den anderen auszuloten, aber ich bestehe nicht auf irgendwelche konkrete Richtungen. Ich habe keine festgelegten Erwartungen, wie sich die Triomusik entwickeln soll; ich möchte, dass Joey und Thomas ihren Ohren vertrauen und die Richtungen verfolgen, die sie ihnen vorzugeben scheinen. Das ist für mich der aufregendste Aspekt an diesem Projekt. Ich liebe es mit dieser Band zu spielen, weil in der Musik ständig neue Sachen passieren. Die Musik möchte ihre eigene Richtung einschlagen. Unsere Aufgabe ist, ihr zu folgen. Das drückt in gewissem Sinne auch schon der Albumtitel ‘Streams’ aus.”
Das Album enthält fünf neue Stücke aus der Feder des Gitarristen: “Opal”, “Full Moon Europa”, “Shell Pink”, “Sisimiut” und “Heroines”. Letzteres kann man sowohl in einer Trio-Version als auch in einer bewegenden Solo-Version hören. “Auch auf ‘Gefion’ hatte ich schon ein Stück nur für die Gitarre”, meint Bro, “insofern setzen wir hier eine Tradition fort. Ich hatte diesmal aber kein Solo-Arrangement vorbereitet. Wir kamen erst im Studio auf die Idee. Manfred Eicher sagte mir: ‘Spiel einfach nur die Melodie und lass es dann gut sein.’ Ich bin seinem Ratschlag gefolgt.”
Die Gruppenimprovisation “PM Dream”, mit der das Album beginnt, ist Paul Motian gewidmet. Die Art, wie der Gitarrist generell an Melodien herangeht, verdeutlicht den Einfluss des 2011 verstorbenen Schlagzeugers, in dessen Ensemble – zu unterschiedlichen Zeiten – sowohl Bro als auch Morgan spielten. Joey Baron taucht hier – wie auf dem gesamten Album – mit unüberhörbarer Freude in die Details der Musik ein. Er hat in dem Trio den Platz eines anderen großartigen Schlagzeugers eingenommen. Denn auf “Gefion” saß hinter den Trommeln und Becken noch der Norweger Jon Christensen (mit dem Bro zur Zeit an einem neuen Projekt arbeitet, in das auch der Trompeter Palle Mikkelborg involviert ist; ein Album soll nächstes Jahr bei ECM erscheinen). “Jon war in dem Trio manchmal sehr unberechenbar, extrem und mysteriös. Und ich liebte das”, meint Bro. “Aber die kreative Weise, in der Joey spielt, eröffnet mir irgendwie mehr Räume. Und als Gruppe haben wir verstärkt an Idee gearbeitet, die auf verschiedenen Zeitgefühlen, aber auch beständigen Pulsen basierten.”
Am 19. November wird das Trio das neue Album “Streams” in der Münchener Unterfahrt erstmals dem deutschen Publikum live vorstellen. Einen Tag später kann man es dann im Kulturzentrum Dieselstraße in Esslingen sehen. Weitere Auftritte in Deutschland sind für das Frühjahr 2017 geplant.