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James Francies – angetrieben von kinetischer Energie

Auf “Purest Form”, seinem zweiten Album für Blue Note, brilliert der junge Pianist und Keyboarder James Francies mit manchmal fast schon schwindelerregender Virtuosität.
James Francies - Purest Form
James Francies - Purest Form
20.05.2021
Dieses Album und weitere Veröffentlichungen von Blue Note finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Dass er über eine begnadete Technik und schier unglaubliche Fingerfertigkeit verfügt, hat James Francies schon 2018 auf “Flight”, seinem gefeierten Debütalbum für Blue Note, eindrucksvoll unter Beweis gestellt. “Er verteilt die Karten!”, meinte sein Instrumentalkollege Ethan Iverson (ehemals The Bad Plus) bewundernd. “Seine schnellen Läufe klingen wie die von Art Tatum. Und sein Anschlag hat wirklich ein leuchtendes Feuer.” Nun hat der mittlerweile 25-Jährige auf seinem zweiten Album “Purest Form” sogar noch einen Zahn zugelegt und sprudelt zeitweise vor lauter kinetischer Energie geradezu über. Doch in einigen Nummern des Albums zeigt Francies ebenso eindrucksvoll, dass er durchaus auch eine nachdenkliche, einfühlsame und lyrische Seite hat.
James Francies wurde 1995 in Houston/Texas geboren und absolvierte – wie seine Mentoren Robert Glasper und Bilal – die renommierte Talentschmiede der High School for the Performing and Visual Arts (HSPVA). Mit kaum 18 Jahren ging er 2013 nach New York, wo er sich seitdem im Zusammenspiel mit Jazzgrößen wie Jeff “Tain” Watts, Pat Metheny, Chris Potter und Marcus Miller, aber auch R&B-Stars wie Childish Gambino, Anderson .Paak und Lauryn Hill sowie seiner eigenen Band Kinetic einen hervorragenden Namen machte. Die zurückliegenden anderthalb Jahre hat Francies damit verbracht, das Konzept von “Purest Form” bis ins kleinste Detail auszutüfteln. “Ich habe mir dafür wirklich Zeit genommen”, sagt er. Während ihm bei seinem Debütalbum vor drei Jahren noch der erfahrene Derrick Hodge bei der Produktion zur Seite stand, zeichnete Francies diesmal allein verantwortlich und war auch intensiv in die finale Abmischung des Albums involviert. “Es war ein super sorgfältiger Prozess.”
Ebenso sorgfältig ging er auch bei der Wahl seiner musikalischen Partner vor. Den Kern der Besetzung bilden der Bassist Burniss Travis und Schlagzeuger Jeremy Dutton, mit denen Francies in Houston aufwuchs und schon seit über zehn Jahren zusammenspielt. Beide sind auch Mitglieder seiner langjährigen Band Kinetic. Als Gäste gesellen sich zu diesem Trio außerdem noch der ebenfalls aus Houston stammende Gitarrist Mike Moreno (ein weiterer “Kinetiker” und HSPVA-Absolvent), Altsaxofonist Immanuel Willkins und Vibraphonist Joel Ross (zwei junge Labelkollegen von Francies) sowie die Vokalisten Elliott Skinner, Peyton und Bilal. Einen familiären Touch erhält das Album zudem durch Spoken-Word-Beiträge von James’ Ehefrau Brenda, seinem Vater James Francies Sr. und seiner (im Januar 2021 verstorbenen) Mutter Shawana.
“Musik ist, in ihrer reinsten Form, ein ehrlicher Raum, den wir zu erreichen versuchen und in dem es keine vorgefassten Meinungen darüber gibt, wie etwas klingen sollte”, sagt Francies, den Titel des Albums erklärend. “Wenn du dich wirklich darauf einlässt, wer du musikalisch und als Mensch in deinem Inneren bist, dann verdrängt diese Energie alles andere.”
Neben dreizehn schillernden Eigenkompositionen mit oftmals verschlungenen Melodiebögen und vertrackten, aber stets groovigen Rhythmen präsentiert James Francies auf “Purest Form” auch einen bekannten Jazzstandard: die durch John Coltrane bekannt gewordenen Musical-Nummer “My Favorite Things”. Ursprünglich ein beschwingter Jazz-Waltz, nutzten Francies, Wilkins, Ross, Moreno, Burniss und Dutton das Lied für eine atemlose Tour-de-Force, in deren Verlauf sich jeder solistisch in Szene setzen kann. Das Arrangement, so sagt der Pianist, hatte er bereits mit 15 Jahren geschrieben. “Ich liebe es, Songs, die eigentlich perfekt sind, einfach zu demolieren”, sagt er lachend. Und so lange er dies auf solch brillante Art und Weise wie hier macht, dürften dagegen selbst Jazzpuristen keine Einwände haben.