Wird an deutsche Unterhaltungsmusikgrößen erinnert, fehlt selten der Hinweis, dass diese ihre Meriten in der Regel in der Jazz-Szene gewannen. Das gilt für Musiklegenden wie James Last, Max Greger und Paul Kuhn genauso wie für den Trompeter und Sänger Günter Kallmann und den Orchesterleiter Kurt Edelhagen. Zwei gerade erschienene CDs innerhalb der beliebten JAZZ-CLUB-Reihe versammeln jetzt Aufnahmen des Günter-Kallmann-Chores mit Kurt Edelhagen und anderen Orchestern, die zugegebenermaßen nicht wirklich “jazzig” sind, aber einen interessanten und äußerst nostalgischen Rückblick in eine Zeit qualitativ hochwertiger Unterhaltungsmusik bieten.
Eine nahezu ausgestorbene Form der Popkultur des letzten Jahrhunderts ist die Musik der Swing- und Schlagerchöre. Von den Vierziger bis Siebziger Jahren waren zahllose dieser Ensembles von den Konzertbühnen, aus TV- und Radiosendungen und von Schallplatte nicht wegzudenken. Eine Gesangsgruppe mischte dabei hierzulande ganz vorne mit: der Günter-Kallmann-Chor. Kallmann (1927 – 2016) studierte Musik und spielte nach dem Zweiten Weltkrieg in diversen vorwiegend Berliner Formationen Trompete. Von früh an pflegte er eine Vorliebe für Swing-Vokalgruppen wie die Four Freshmen und die Modernaires und wirkte schon bald bei einigen der führenden deutschen Studiovokalgruppen mit. Mit seinem frisch gegründeten Günter-Kallmann-Chor nahm ihn Anfang der Sechziger Jahre das Polydor-Label unter Vertrag. Dort dominierte allerdings der gepflegte deutsche Schlager, deshalb hängte Kallmann auf Schallplatte den Swing schweren Herzens an den Nagel. Belohnt wurde er dafür mit einer Erfolgsgeschichte, die hierzulande einmalig ist und auf Umwegen sogar mit der englischen Königin zu tun hat.
“Elizabeth-Serenade” hieß nämlich ein romantischer Ohrwurm des britischen Komponisten Ronald Binge, der sich Anfang der Sechziger Jahre in deutschen Radiostationen zum Dauerbrenner entwickelt hatte. Die Polydor-Macher reagierten schnell und ließen Günter Kallmann und seinen Chor eine Gesangsversion des Titels aufnehmen. Eine gute Idee, denn die Single stand bald wochenlang in den Top−5 der deutschen Single-Charts. Keine Frage, dass umgehend eine Langspielplatte nachgeschoben wurde, die das Konzept der Erfolgssingle weiterführte: mit Klassik-Motiven spielende, wehmütig-romantische Schlagermusik, die vor dem inneren Auge des Hörers eine erholsam-nostalgische Welt aus Schlössern, Parks und Alleen erstehen ließ. Der Erfolg hielt an, und so ging es bald weiter mit ähnlich gestrickten LPs wie “Serenade im Schlosspark” und “Serenade am Meer”.
Untermalt wurde der Chor von diversen Orchestern wie denen von Kurt Edelhagen und Werner Twardy. Edelhagen war einer der beliebtesten deutschen Big-Band-Chefs jener Jahre und pendelte erfolgreich zwischen Swing und Jazz auf der einen und Schlager auf der anderen Seite. Diese Genres lagen vor mehr als fünfzig Jahren noch näher beieinander als heute, trotzdem wurden die kommerzielleren Seitensprünge der hochkarätig besetzten Jazz-Big-Band natürlich nicht von allen Jazz-Fans goutiert. Twardy, ein ehemaliger Jazzpianist, brachte einen opulenten Arrangement-Stil mit, der die von ihm geleiteten Aufnahmen stets zu kleinen Breitwand-Klanggemälden veredelte.
Den Erfolg des Kallmann-Chores im Serenadenklang macht einmalig, dass die Aufnahmen damals sogar den Atlantik überquerten. In den USA wurde die erste Single dank zahlloser Radioeinsätze ebenfalls zum Hit. “Serenade For Elisabeth” hieß sie dort, obwohl auch in Amerika das deutsch gesungene Original lief. Das Schallplattenlabel Kapp Records hatte die Single lizensiert und brachte daraufhin jahrelang Kallmann-Alben mit riesigem Erfolg in den USA heraus. “Sung in German” prangte in großen Lettern auf den Schallplattencovern. Ein beachtlicher Erfolg für eine deutsche Formation, der jetzt erstmals digital remastert und mit ausführlichen Booklet-Texten nacherlebt werden kann.