JazzEcho-Plattenteller | News | Avantgarde-Jazz und Blues mit einem Hauch von karibischem Flair

Avantgarde-Jazz und Blues mit einem Hauch von karibischem Flair

Mit seinem bahnbrechenden Album “Movement” brachte der jamaikanisch-britische Altsaxofonist Joe Harriott vor 60 Jahren Bewegung in die Jazzszene des UK. Jetzt wird dieser Klassiker zum ersten Mal auf Vinyl wiederveröffentlicht.
The Joe Harriott Quintet: Movement (60th Anniversary)
The Joe Harriott Quintet: Movement (60th Anniversary)
10.10.2024
Diese LP und weitere finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Zur selben Zeit, als Ornette Coleman mit revolutionären Alben wie “The Shape Of Jazz To Come” und “Free Jazz” die amerikanische Jazzszene in ihren Grundfesten erschütterte, versuchte in Großbritannien ein anderer Altsaxofonist ebenfalls die Fesseln der Konventionen des Jazz abzustreifen. Und dies auf erstaunlich eigenständige Art. Die Rede ist hier von dem aus Kingston, Jamaika, stammenden Joe Harriott (1928–1973), der seinen musikalischen Befreiungsschlag damals auf drei bahnbrechenden Alben dokumentieren konnte: "Free Form" (1960), “Abstract” (1963) und “Movement” (1964). Auf keinem Album kam Harriotts visionärer Ansatz besser zur Geltung als auf “Movement”, wo er Struktur mit Freiheit, Tradition mit Innovation und individuellen Ausdruck mit kollektiver Kreativität verbindet. In schönem Wechsel präsentiert Harriott bluesige Jazznummern und abstrakte Stücke. Wobei letztere stets mit so viel Charme und Witz gespielt werden, dass sie nie sperrig wirken oder unzugänglich sind. 60 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung erscheint dieser Klassiker nun zum ersten Mal wieder auf Vinyl. Für Exemplare der Originalpressung legen Sammler bis heute über 1.000 Pfund hin. Die Neuauflage von “Movement” wurde in den Abbey Road Studios direkt von den analogen Original-Stereo-Masterbändern kopiert (bisher war nur die Mono-Version auf Vinyl erhältlich) und neu gemastert.
Obwohl der 1928 in Kingston geborene Joe Harriott in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, genoss er an der berühmten  Alpha Boys’ School, die etliche der bekanntesten Ska-, Reggae- und Jazzmusiker Jamaikas hervorgebracht hat, eine exzellente Musikausbildung. Erste professionelle Spielerfahrung sammelte der Altsaxofonist, dessen große Vorbilder Charlie Parker und Sonny Stitt waren, in lokalen Jazzbands.
Gerade einmal 23 Jahre alt war Harriott, als er im Sommer 1951 mit einer dieser Bands auf eine Tournee durch England gehen konnte. Während seine Kollegen nach der Gastspielreise in die Heimat zurückkehrten, blieb Harriott in London und stürzte sich mit Feuereifer in die dortige Jazzszene. Schon bald war er nicht nur auf Alben britischer Jazzgrößen zu hören, sondern konnte auch eigene Aufnahmen machen. Während er auf ihnen zunächst noch vorwiegend Bebop-Klassiker und andere Jazzstandards interpretierte, ging er 1960 dazu über, sich in freiere Klangefilde vorzuwagen. Von den neun Nummern, mit denen er auf “Movement” zu hören ist, hatte er sieben selbst komponiert. Die beiden anderen stammen von dem Pianisten Michael Garrick, einem weiteren britischen Jazzpionier, mit dem Harriott zuvor oft zusammengearbeitet hatte. In seiner Performance lässt der Altsaxofonist hier gelegentlich die Einflüsse von Parker und Stitt, aber auch seine karibischen Musikwurzeln durchschimmern. Großartige Unterstützung liefern ihm dabei neben dem englischen Pianisten Pat Smythe und dem schottischen Schlagzeuger Bobby Orr zwei weitere Musiker aus der Karibisk: Harriotts Landsmann Coleridge Goode am Bass und der Trompeter und Flügelhornist Ellsworth “Shake” Keane.
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