Blue Note Classic Vinyl Edition – hippe Jazzpioniere der 1960er Jahre
Diesmal gibt es in der “Blue Note Classic Vinyl Edition” Soloalben von zwei Musikern, die parallel im Miles Davis Quintett spielten: “Empyrean Isles” von Herbie Hancock und “Fuchsia Swing Song” von Sam Rivers.
Diese LPs und weitere Folgen aus der Blue Note Classic Vinyl-Serie finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Mit seiner “Blue Note Classic Vinyl Series” knüpftBlue Note an die gefeierte “Blue Note 80 Vinyl Reissue Series” an, mit der das von Don Was geleitete Traditionslabel 2019 sein 80-jähriges Jubiläum beging. Wie in der Vorläufer-Serie werden sämtliche Aufnahmen von Kevin Gray (Cohearent Audio) von den analogen Originalbändern neu gemastert, bei Optimal in Deutschland auf hochwertiges 180-Gramm-Vinyl gepresst und in Standardverpackungen angeboten.
Herbie Hancock – Empyrean Isles
Gerade einmal 24 Jahre alt war Herbie Hancock, als er am 17. Juni 1964 das Studio von Rudy Van Gelder in Englewood Cliffs, New Jersey betrat, um mit “Empyrean Isles” sein viertes Soloalbum für Blue Note Records aufzunehmen. Trotzdem galt der klassisch geschulte Pianist aus Chicago zu diesem Zeitpunkt bereits als aufsteigender Star in der Welt des Jazz. Seit 1963 war er ein festes Mitglied des bahnbrechenden zweiten großen Quintetts von Miles Davis. Und schon ein Jahr zuvor hatte er mit seinem Blue-Note-Debütalbum “Takin’ Off” und der darauf befindlichen Hit-Nummer “Watermelon Man” auch seine Solokarriere erfolgreich in Gang gesetzt.
Doch mit “Empyrean Isles” sollte er sich in noch luftigere Höhen aufschwingen und endgültig als eigenständiger Künstler etablieren. Wie auf den vorangegangenen Alben stellte Hancock ausschließlich eigene Kompositionen vor, aus denen vor allem der zeitlose Hit “Cantaloupe Island” hervorstach (der gut 30 Jahre später von der britischen Jazz-Rap-Band Us3 für “Cantaloop” gesampelt wurde und weltweit die Charts eroberte). Dem Pianisten zur Seite standen bei der Einspielung von “Empyrean Isles” mit dem Bassisten Ron Carter und dem Schlagzeuger Tony Williams zwei Musiker, mit denen er auch im Quintett von Miles zusammenarbeitete. Zu ihnen gesellte sich außerdem der Trompeter Freddie Hubbard, der allerdings für diese Aufnahmen zum weicher und runder klingenden Kornett griff. In nur vier Stücken gelang es Hancock auf diesem Album eine fast schon verwirrende Vielfalt von Stilelementen auf durch und durch kohärente Weise unterzubringen: das Spektrum reicht von Hard-Bop und Bebop über modalen Jazz, freie Improvisation und Soul-Jazz bis hin zu modernem Funk und Latin.
Sam Rivers – Fuchsia Swing Song
Zum zweiten großen Quintett von Miles Davis hatte für kurze Zeit auch der Tenorsaxofonist Sam Rivers gehört. Der Trompeter hatte ihn nach dem Abgang von George Coleman auf Empfehlung seines jungen Schlagzeugers Tony Williams (der bereits als 13-Jähriger mit Sam Rivers gespielt hatte) für eine Konzert-Tournee engagiert. Im Rahmen dieser Tournee wurde im Juli 1964 das Album “Miles In Tokyo” mit Rivers, Pianist Herbie Hancock, Bassist Ron Carter und Williams aufgezeichnet. Nur fünf Monate später konnte Sam Rivers im Dezember 1964 für Blue Note sein fabelhaftes Debütalbum “Fuchsia Swing Song” aufnehmen. Mit von der Partie waren dabei seine zeitweiligen Davis-Gefährten Ron Carter und Tony Williams sowie der Pianist Jaki Byard, seinerzeit ein regelmäßiger musikalischer Begleiter von Charles Mingus. Das Repertoire bestand aus sechs Kompositionen von Rivers, die zwar fest im Post-Bop und Blues wurzelten, aber die avantgardistischen Tendenzen des Saxofonisten auch nicht leugnen konnten. Das Highlight des Albums ist die atemberaubende Ballade “Beatrice”, die später sogar von den Tenor-Giganten Joe Henderson und Stan Getz aufgegriffen und interpretiert wurde.
“Zum Zeitpunkt seines Debüts stand Rivers noch stark unter dem Einfluss von Coltrane und Coleman, war aber nicht bereit, den Blues aufzugeben”, schreibt Thom Jurek in AllMusic über das Album, dem er viereinhalb Sterne verlieh. “Daher ist der Sound auf ‘Fuchsia Swing Song’ der eines Künstlers, der gleichzeitig selbstbewusst ist und sich in einer Übergangsphase befindet. […] Eine sehr zu empfehlende Aufnahme. So wie hier hat Rivers, abgesehen von dem 1965er Album ‘Contours’, nie wieder gespielt.” Wie angesagt Sam Rivers damals war, zeigt auch seine Mitwirkung auf Larry Youngs “Into Somethin’” (Blue Note, 1964) sowie den beiden Tony-Williams-Alben ”Life Time” (Blue Note, 1965) und “Spring” (Blue Note, 1966).