Blue Note Classic Vinyl Edition: Songs über tanzende Amöben und Cro-Magnons
In der Vinyl-Reihe erscheinen diesmal Aufnahmen von drei sehr unterschiedlichen Tasteninstrumentalisten: den Pianisten Herbie Nichols und Kenny Cox sowie Hammond-Organist Jimmy Smith.
JazzEcho-Plattenteller: Blue Note Classic Vinyl
16.12.2021
Diese LPs und weitere aus der Blue Note Classic Vinyl Serie finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Mit seiner “Blue Note Classic Vinyl Series” knüpft Blue Note an die gefeierte “Blue Note 80 Vinyl Reissue Series” an, mit der das von Don Was geleitete Traditionslabel 2019 sein 80-jähriges Jubiläum beging. Wie in der Vorläufer-Serie werden sämtliche Aufnahmen von Kevin Gray (Cohearent Audio) von den analogen Originalbändern neu gemastert, bei Optimal in Deutschland auf hochwertiges 180-Gramm-Vinyl gepresst und in Standardverpackungen angeboten.
Herbie Nichols (1919–1963) stand zeitlebens im Schatten anderer Pianisten und Komponisten des Jazz. Die ihm gebührende Anerkennung fand er leider erst lange nach seinem viel zu frühen Tod. In einer Nichols-Biographie für AllMusic schrieb Steve Huey dazu: “Seine eigene Musik – eine Mischung aus Dixieland, Swing, karibischer Folkloremusik, Monkscher Kantigkeit, europäischen Klassikharmonien von Satie und Bartók und unorthodoxen Strukturen – war einfach zu unklassifizierbar und komplex, um vom damaligen Jazzpublikum wirklich verstanden zu werden.”
So kommt es, dass von Herbie Nichols gerade einmal fünf Alben unter eigenem Namen überliefert sind. Und drei dieser Alben brachte der Produzent Alfred Lion, der Nichols für einen ebenso originellen und wichtigen Komponisten wie Thelonious Monk hielt, Mitte der 1950er Jahre bei Blue Note heraus. “The Prophetic Herbie Nichols Vol. 1 & 2” vereint auf einer Gatefold-LP die Aufnahmen von zwei großartigen Sessions, die ursprünglich auf zwei 10″-Scheiben erschienen waren. Eingespielt hatte sie Nichols binnen einer Woche im Mai 1955 mit dem Bassisten Al McKibbon und Schlagzeuger Art Blakey. Das Repertoire besteht aus zwölf einzigartigen Kompositionen des Pianisten, die Lions Urteil bestätigen.
Originalität und einen Sinn für schrägen Humor zeigte Nichols aber auch bei den Namen, die er seinen Stücken gab: etwa “Cro-Magnon Nights”, “Amoeba’s Dance” und “2300 Skiddoo”, dessen Titel an einen skurrilen amerikanischen Slangausdruck aus der Frühzeit des Jazz angelehnt war.
Kenny Cox – Introducing Kenny Cox And The Contemporary Jazz Quintet
Ähnlich obskur wie die Karriere von Nichols verlief auch jene des aus Detroit stammenden Pianisten Kenny Cox, der zeitweise als Begleiter der Sängerin Etta Jones gearbeitet hatte. Auch er nahm nur eine Handvoll Alben unter eigenem Namen auf, und zwei davon Ende der 1960er Jahre für Blue Note. Das erste war 1968 “Introducing Kenny Cox and The Contemporary Jazz Quintet”, auf dem der Pianist mit Trompeter Charles Moore, Tenorsaxophonist Leon Henderson (ein Bruder des viel bekannteren Joe Henderson!), Bassist Ron Brooks und Schlagzeuger Danny Spencer zu hören ist. Auf dem Programm standen bei der Aufnahmesession ausschließlich Originale von Cox, Henderson und Moore sowie dem Pianisten David Durrah, der seinerzeit in Detroit zum selben Musikerzirkel gehörte. “Obwohl sie gut mit den Traditionen von Jazzstandards und Bop vertraut waren, ähneln Cox und sein Ensemble am ehesten dem klassischen Quintett von Miles Davis der Mitt- und Endsechziger Jahre”, meint Matt Collar bei AllMusic. “Aber statt Davis einfach nur nachzuahmen, offenbart das Contemporary Jazz Quintet eine ganz eigene muskulöse und urbane Gruppenempfindsamkeit. Entstanden ist so hitziger, mitteilsamer und intellektueller Post-Bop der Spitzenklasse.”
Jimmy Smith – Home Cookin'
“Einer der grundlegenden Klassiker aus Jimmy Smiths Blue-Note-Jahren, die für die Hammond-Orgel im Jazz eine bahnbrechende Zeit waren”, meint Dusty Groove zu “Home Cookin'”. “Mit Platten wie dieser trug Jimmy dazu bei, die Hammond-Orgel aus den Hinterzimmern der Bars herauszuholen und ins Zentrum des Jazz rücken!” Entstanden war das Album 1958/59 bei insgesamt drei Sessions in Rudy Van Gelders Studio in Hackensack/New Jersey. Mit von der Partie waren Jimmys langjähriger Schlagzeuger Donald Bailey und der Gitarrist Kenny Burrell, der zuvor schon an der Aufnahme zweier anderer Smith-Meisterwerke für Blue Note mitgewirkt hatte: “House Party” (1958) und “The Sermon!” (1959). Zu diesem bestens eingespielten Trio stieß bei vier Titeln noch der weniger bekannte Tenorsaxophonist Percy France, der damals Mitglied der Band von Smiths Instrumentalkollegen Bill Doggett war. Mit Nummern von Ma Rainey (“See See Rider”), Ray Charles (“I Got A Woman”) und Jimmy McGriff (“Motorin' Along”) sowie Originalen von Smith (“Messin' Around” und “Gracie”) und Burrell (“Sugar Hill” und “Come On Baby”) ist dieses Album förmlich ein Lehrstück in Sachen instrumentaler Soul-Jazz.