Drei Farben gut – neues Peyroux-Album als Deluxe-LP
Das neunte Studioalbum der amerikanischen Sängerin ist wunderschön. Auch weil es als Zwei-Farben-Vinyl in einem schönen Gatefold erschienen ist.
Jazzecho Plattenteller - Madeleine Peyroux
06.09.2018
Bei farbigem Vinyl – also allem außer schwarz – hieß es früher immer: “Guter Gag, klingt nur doof.” Aber früher war die Erde auch eine Scheibe. Und dass Madeleine Peyroux ihren neuen Longplayer “Anthem” tonträgertechnisch irgendeinem Klang-Risiko aussetzen würde, war ohnehin nicht zu erwarten. Nicht, nachdem sie Monate damit zugebracht hat, ihr bislang aufwendigstes Studioalbum überhaupt aufzunehmen. Und so greift die neue Doppel-LP mit einer blauen und einer roten Vinyl das grafisches Konzept von “Anthem” schlüssig auf und klingt dabei noch fabelhaft.
Blau, weiß, rot, und gedreht entweder die Nationalflagge Frankreichs oder der Niederlande, präsentiert sich das Cover insgesamt eher puristisch. Bei der mit Song-Texten und Autoren-Infos gespickten Innenseite des Klappcovers kehren die drei Farben in Form einer Kachel-Collage wieder. Fast ein ganzes Drittel der linken Hälfte braucht Peyroux zur Listung ihrer zahlreichen Mitstreiter. Außerdem prominent platziert ist der Name desjenigen, dem Madeleine Peyroux “Anthem” widmet: Daniel William Fitzgerald. Der Straßenmusiker, dessen Wandertruppe sich Peyroux als junge Ausreißerin angeschlossen hatte, verstarb 2017. Vor diesem Hintergrund verwundert der vor allem in Richtung der zweiten, blauen Vinyl, zunehmend melancholischer werdende Ton des Albums nicht.
Dabei beginnt “Anthem” beschwingt und optimistisch. Das sanft stampfende “On My Own” handelt zwar von irgendeinem Ende, dass dem aber stets ein Zauber innewohnen kann, darum geht’s hier musikalisch. Mit “Down On Me” – einem Swamp-Soul-Kracher, der auch Tony Joe White gefallen hätte – geht es zumindest thematisch in ähnliche Gefilde. Aber schon “Party Tyme” ist – auch in der klanglichen Umsetzung – kurz bevor die Zynismus-Polizei kommt: bitterböse, aber großartig.
Rhythmischer Zug zum Tor kommt ansonsten nur noch bei “The Brand New Deal” zum Tragen. Und bei “Honey Party” – einem Americana-Schwof zwischen Country und Cha-Cha-Cha. Der Rest des Albums ist groove-technisch eher gediegen. Kommt dabei aber ohne jedes tränendrüsendrückende Klischee aus. Peyrouxs Eigenkompositionen sind geschmackvoll in Szene gesetzt. Und trotz der langwierigen Tüftelei im Studio nie l’art pour l’art, sondern immer von einer fluffigen Eleganz, die staunen lässt. Für einen der Höhepunkte des Albums, das vielleicht nicht ganz zufällig an Marvin Gayes “Sexual Healing” erinnernde “We Might As Well Dance”, gilt das ganz besonders.
Wie so oft im Leben geht das alles natürlich nur mit dem richtigen Personal. Und wie schon so oft hatte Peyroux auch diesmal bei der Auswahl wieder ein glückliches Händchen. Der Gruppen-Kern um ihre Co-Autoren und Rhythmustruppe wird dabei regelmäßig von einer mal streicher-, mal bläser-lastigen Band ergänzt, deren Tightness sogar den oberfiesen Orchesterleiter aus “Whiplash” strammstehen lassen würde. Egal ob Cha-Cha-Cha, Chanson oder Soul-Groove – die sind Weltmeister im musikalischen Mehrkampf. Und machen “Anthem” im Zusammenspiel mit Peyroux' souverän führenden Velour-Vocals zu einem echten Hinhörer. Auch und gerade mit dieser herrlich bunten LP.