JazzEcho-Plattenteller | News | Lifelines - Erfolgsalbum der Brüder Kühn erstmals als LP

In der aktuellen Ausgabe von MINT, dem deutschen Magazin für Vinyl-Kultur, schwärmt Autor Arne Reimer davon, wie “erstaunlich jung die Musik der Brüder Kühn nach wie vor klingt”, und freut sich, dass deren Album „Lifeline“ endlich auch als LP das Licht der Welt erblickt hat: “Die beiden jungen Gäste [gemeint sind damit der damals 53-jährige John Patitucci und der 42-jährige Brian Blade] inspirieren die Brüder Kühn zu Höhenflügen, zu intimem Interplay und spontanen Reaktionen auf den jeweils anderen… Zehn Jahre nach Veröffentlichung der CD bringt Universal diese musikalische Perle jetzt erstmals als Doppel-LP heraus. In den Pallas-Werken sauber gepresst, ist die Musik klanglich noch viel präsenter als auf der CD. Die Dynamik besticht und überzeugt.”

Nur wenige deutsche Musiker haben in der internationalen Jazzszene so viel Anerkennung gefunden wie Rolf und Joachim Kühn. Für ihr Lebenswerk wurden die beiden Brüder 2011 mit einem Echo Jazz Award ausgezeichnet. Passend dazu veröffentlichten Klarinettist Rolf (Jahrgang 1929) und Pianist Joachim (Jahrgang 1944) im Jahr darauf bei Impulse! Records das gemeinsame Album “Lifeline”, das prompt den Preis der Deutschen Schallplattenkritik erhielt. Bei dem legendären Coltrane-Label, das damals gerade sein 50-jähriges Jubiläum feierte, hatten die Kühns 45 Jahre zuvor ihr erstes gemeinsames Album “Impressions Of New York” vorgelegt.

“Sie waren die einzigen deutschen Jazzmusiker, die mit ‘Impressions Of New York’ 1967 eine Platte auf dem legendären amerikanischen Label Impulse herausbrachten”, schrieb Reinhard Köchl in der Jury-Begründung des Preis der Deutschen Schallplattenkritik. “Gut 45 Jahre später beleben der Klarinettist Rolf und der Pianist Joachim Kühn den Geist jener Zeit neu und knüpfen, gemeinsam mit Bassist John Patitucci und Drummer Brian Blade, dort an, wo ihr USA-Abenteuer damals endete. Zwei eng verwobene Lebenslinien, die repräsentativ für die Entwicklung des Jazz von der klassischen Quartett-Besetzung über den Free Jazz, vom psychedelischen Art-Rock bis hin zu komplexen Kompositionslinien und Improvisationsstrukturen stehen.”

Bei der Aufnahmesession für “Impressions Of New York” hatten Rolf und Joachim Kühn am 27. Juli 1967 Jimmy Garrison, der langjährige Bassist des nur zehn Tage zuvor verstorbenen John Coltrane, und der franko-italienische Schlagzeuger Aldo Romano zur Seite gestanden. Auf “Lifeline” übernahmen diese Rollen 2012 John Pattitucci und Brian Blade, die zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwölf Jahren Mitglieder des gefeierten Quartetts von Saxofonist Wayne Shorter waren.

Über die Entstehung des Albums gab Rolf Kühn seinerzeit zu Protokoll: “Joachim und ich haben im September intensiv an den neuen Kompositionen gearbeitet, die wir am 30. Oktober 2011 im Tonstudio Bauer aufgenommen haben. Jeder von uns beiden hat im Laufe der Jahre seinen eigenen Schreibstil gefunden, trotzdem finden die verschiedenen Kompositionen, die wir hier erarbeitet haben, auf eine natürliche Weise zusammen und das Album bildet eine musikalische Einheit. Im Vergleich zu ‘Impressions Of New York’ haben wir diesmal fast alle Themen ausgeschrieben, denn die Gruppe sollte das Repertoire ja erstmals live beim Frankfurter Jazzfestival am 29. Oktober 2011 präsentieren und es gab nur wenige Stunden Probezeit. Für diesen Abend sind kurze Themen entstanden, über die frei improvisiert wurde. Mit diesem Spirit sind wir dann am nächsten Tag ins Tonstudio gegangen. John Patitucci und Brian Blade sind für uns die ideale Rhythmusgruppe für dieses Projekt. Hier geht es musikalisch um ein spontanes Reagieren. Nichts Kalkuliertes oder Eingefahrenes, Abgesprochenes, sondern ein spontanes Zugehen aufeinander. Die gegenseitige Neugier war groß und die Aufnahmen eine spannende gemeinsame Reise.”

“Unsere Stücke/Kompositionen sind Plattformen, die zur Improvisation leiten”, ergänzte Joachim Kühn. “Eine ungebrochene Anknüpfung an das Impulse-Album von damals ist nicht machbar, das ist 45 Jahre her. Wir machen, was wir heute spielen. Ich schaue nicht zurück, ich lebe im Jetzt. Diese Aufnahme mit Rolf zu machen, bedeutet mir viel. ‘Lifeline’ ist Ausdruck unserer gemeinsamen Zeit des Zusammenspielens. Wir haben schon einiges hinter uns – und gehen gemeinsam weiter!”