Fast ein halbes Jahrhundert ist Philip Baileys Stimme schon Teil der Soul-Geschichte. Sein elftes Solo-Album ist “red hot” – und besonders schön als LP.
Philip Bailey Plattenteller
01.08.2019
Majestätisch entrückt – das ist der Eindruck, den der Sänger, Percussionist und Songschreiber auf der eleganten Rot- und Grünfilter-Collage seines aktuellen Covers macht. Konzentriert, bei der Sache und Kraft seiner Erfahrung durch nichts aber auch gar nichts aus der Ruhe zu bringen. Ein trommelnder Buddha. Kaum weniger erfolgreich auf Effekt getrimmt ist auch der Rest der Vinylausgabe: Massives schwarzes Doppel-Gold, eingepackt in ein stabiles Gatefold mit ganz viel Platz für spirituelle Danksagungen an den Herrn und Schöpfer. Edel im Druck, angenehm in der Hand, aber, zumindest was die Textseite angeht, ein wenig vage.
Der Elefant im Raum ist natürlich klar: Earth, Wind & Fire. Für Sänger und Frontmänner solch einer internationalen Superstar-Band kann sich der Solo-Pfad als äußerst steiniger Weg erweisen. Oder aber auch als Sprungbrett für das nächste große Ding. Egal, welche Variante – Philip Bailey weiß in jedem Fall, wovon die Rede ist. Wenn Baileys Lebenserfahrung ihn gelehrt hat, dass sich die Liebe am Ende durchsetzt, dann scheint es nur logisch, diese Lebensweisheit in einen Album-Titel umzumünzen. Außerdem: Mit seiner Erfahrung ist Bailey auf “Love Will Find A Way” gottseidank nicht alleine. Kurzer Auszug aus dem Mitstreiter-Register gefällig? – Chick Corea, Christian McBride, Robert Glasper, Kenny Barron, Will.I.Am, Kamasi Washington, Steve Gadd. Und das waren längst nicht alle. Dennoch sagt allein die Besetzung alles über das musikalische Niveau aus, das dieses Album hat.
Niveau – das hat auch Baileys Falsett noch immer. Ehrlich gesagt muss man konstatieren: Vielleicht ist es mit den Jahren sogar noch gestiegen. Wenn Bailey seine Kopfstimme auf dem Titelstück erhebt, ist da eine Zerbrechlichkeit, ein Wissen um die Endlichkeit der Dinge, die der Sänger als Twen garantiert nicht mit versungen hat; nicht mit versingen konnte. Man hört Bailey den Lauf der Dinge an. Und das ist ein unglaubliches Pfund. Niveau ist übrigens auch genau der richtige Begriff, um das Tracklisting in einem Wort zu beschreiben. Die Mixtur aus eigenen und kollaborativen Kompositionen, Coverversionen und irgendwas zwischen Zitaten und Entlehnungen macht fast ein wenig sprachlos. Von Curtis Mayfield über die Talking Heads bis zu Oscar Brown, Jr.. Und als Falsett-Kollege darf einer natürlich auch nicht fehlen: Uns Marvin. Dass Bailey mit “Just To Keep You Satisfied” dann auch ihn covert, ist vor diesem Hintergrund nicht nur logisch, sondern darüber hinaus auch noch sehr sehr gut gelungen.