“Tone Poet”-Serie: Jazz mit hispanoamerikanischem und brasilianischem Einschlag
Auf dem Album “The Latin Bit”, das in der audiophilen “Tone Poet”-Vinyl-Reihe von Blue Note erscheint, überraschte Hard-Bop-Gitarrist Grant Green mit einem sehr gelungenen Abstecher in lateinamerikanische Gefilde.
JazzEcho-Plattenteller: Grant Green "The Latin Bit" (Tone Poet Vinyl)
11.03.2022
Diese LPs und weitere Folgen aus der Tone Poet-Serie finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Die Vinyl-Wiederveröffentlichungen der “Tone Poet”-Reihe präsentieren Klangpoeten, die ihren eigenen Weg gegangen sind, um einige wirklich originelle Sounds zu erzeugen. Inspiriert wurde Blue-Note-Präsident Don Was zu dieser Kollektion durch die außergewöhnlichen audiophilen Vinyl-Wiederveröffentlichungen, die Joe Harley seit Jahren bei dem von ihm mitgegründeten Label Music Matters herausbringt. Der Saxofonist Charles Lloyd verlieh ihm für sein außerordentliches Gespür für die Klangästhetik des LP-Formats den Ehrentitel “Tone Poet”, den Harley heute mit Stolz trägt. Die LPs der Reihe werden mit viel Liebe für Details gefertigt – angefangen bei der Tonqualität und dem Mastering über die hochwertige Pressung auf 180-Gramm-Vinyl bis hin zur Gestaltung der schweren, laminierten Gatefold-Sleeves und der Druckqualität.
Grant Green – The Latin Bit
Bevor Alfred Lion neuen Künstlern einen eigenen Plattenvertrag bei Blue Note gab, präsentierte er sie normalerweise erst einmal als Sidemen auf Alben bereits etablierter Kollegen. Von dem Gitarristen Grant Green war er aber 1960 auf Anhieb so beeindruckt, dass er eine seltene Ausnahme von der Regel machte. Der damals 25-Jährige packte die Gelegenheit beim Schopf und spielte binnen zwei Jahren nicht weniger als zehn Soloalben für Blue Note ein. Vor allem mit Hard-Bop, aber auch mit Soul-Jazz, Bebop und Modalem Jazz. Auf dem elften Album, “The Latin Bit”, überraschte Green dann plötzlich mit einem sehr gelungenen Abstecher in die Welt der lateinamerikanischen Musik. Eingespielt wurde “The Latin Bit” von ihm im April 1962 mit John Adriano Acea, einem amerikanischen Pianisten mit kubanischen Wurzeln (der leider schon ein Jahr nach der Aufnahme mit nur 46 Jahren verstarb), dem Bassisten Wendell Marshall, Schlagzeuger Willie Bobo, Congalero Carlos “Patato” Valdes und Shékere-Spieler Garvin Masseaux. Noch im selben Jahr wurde Grant Green in der DownBeat Critics' Poll zum “neuen aufstrebenden Gitarren-Star” gekürt.
Im Begleittext zu “The Latin Bit” schrieb der Kritiker Nat Hentoff damals: “Es liegt an der bemerkenswerten Leichtigkeit, mit der Green die unterschiedlichsten Sorten von Material spielt, dass ihm auf diesem Album, das Jazz mit einem Latin-Einschlag bietet, eine so nahtlose Verschmelzung von lateinamerikanischen Idiomen und bluesigem, modernem Mainstream-Swing gelingt.” Auf der hispaoameriknischen A-Seite dieses höchst unterhaltsamen Albums paarte Grant Green Stücke von zwei kubanischen Komponisten (Mario Bauzás “Mambo Inn” und Eliseo Grenets “Mama Inez”) mit dem schmachtenden Gassenhauer “Bésame Mucho”, den die mexikanische Konzertpianistin Consuelo Velázquez mit 19 Jahren geschrieben hatte. Auf der B-Seite präsentierte er dann zwei brasilianische Ohrwürmer (Ary Barrosos “Brazil” und Zequinha de Abreus “Tico Tico”), die er mit einer beschwingten Version von Charlie Parkers“My Little Suede Shoes” kombinierte. Beinahe zur selben Zeit, als “The Latin Bit” entstand, war der Tenorsaxofonist Stan Getz mit dem Gitarristen Charlie Byrd im Studio, um “Jazz Samba” einzuspielen, jenes Album, das in den USA den Beginn des Bossa-Nova-Fiebers signalisierte.