In seiner audiophilen “Tone Poet”-Vinyl-Reihe legt Blue Note diesmal Klassiker der beiden Pianisten Herbie Hancock und Duke Pearson neu auf.
JazzEcho-Plattenteller: Tone Poet Vinyl Series - Herbie Hancock "My Point Of View" / Duke Pearson "The Phantom"
29.10.2020
Diese LPs und weitere Folgen aus der Tone Poet-Serie finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Die Vinyl-Wiederveröffentlichungen der “Tone Poet”-Reihe präsentieren Klangpoeten, die ihren eigenen Weg gegangen sind, um einige wirklich originelle Sounds zu erzeugen. Inspiriert wurde Blue-Note-Präsident Don Was zu dieser Kollektion durch die außergewöhnlichen audiophilen Vinyl-Wiederveröffentlichungen, die Joe Harley seit Jahren bei dem von ihm mitgegründeten Label Music Matters herausbringt. Der Saxofonist Charles Lloyd verlieh ihm für sein außerordentliches Gespür für die Klangästhetik des LP-Formats den Ehrentitel “Tone Poet”, den Harley heute mit Stolz trägt. Die LPs der Reihe werden mit viel Liebe für Details gefertigt – angefangen bei der Tonqualität und dem Mastering über die hochwertige Pressung auf 180-Gramm-Vinyl bis hin zur Gestaltung der schweren, laminierten Gatefold-Sleeves und der Druckqualität.
Herbie Hancock – My Point Of View
Mit seinem passend betitelten Blue-Note-Debüt “Takin' Off” hatte Herbie Hancock 1962 einen perfekten Start in seine Solokarriere hingelegt. Der “Rough Guide To Jazz” nannte das Album “eines der erfolgreichsten und atemberaubendsten Debüts in den Annalen des Jazz”. Und mit “Watermelon Man” landete der Pianist auch gleich seinen ersten großen Hit: die groovig-bluesige Instrumentalnummer gelangte in die Top 100 der Pop-Charts. Kurz bevor er im Mai 1963 von Miles Davis in sein zweites legendäres Quintett geholt wurde, spielte Hancock mit “My Point Of View” sein zweites Soloalbum für Blue Note ein, auf dem sich mit “Blind Man, Blind Man” erneut eine sehr einprägsame, soul-jazzige Nummer befand. Mit von der Partie war bei der Session neben Trompeter Donald Byrd, Posaunist Grachan Moncur III, Tenorsaxofonist Hank Mobley, Gitarrist Grant Green und Bassist Chuck Israels auch der erst 17-jährige Schlagzeuger Tony Williams, mit dem Hancock schon wenig später im Quintett von Miles Jazzgeschichte schreiben sollte. “Hancock versteht es, das Beste aus seinen Liedern und Musikern herauszuholen”, schrieb Stephen Thomas Erlewine im All Music Guide. “Das ist auch einer der Gründe dafür, weshalb ‘My Point Of View’ so fesselnd ist. Ein anderer Grund ist die schiere Musikalität dieser Platte.”
Duke Pearson – The Phantom
Der Name Duke Perason mag bei Jazzfans der jüngeren Generationen nur ein verlegenes Schulterzucken auslösen. Das liegt zum Teil daran, dass der Pianist, Komponist und Arrangeur, der 1980 mit nur 47 Jahren verstarb, seine kurze Karriere schon in den 1970ern wegen einer Multiple-Sklerose-Erkrankung vorzeitig beenden musste. Dabei war Pearson in den 1960er Jahren einer der einflussreichsten Musiker bei Blue Note Records gewesen. Zwischen 1959 und 1970 nahm er für Blue Note nicht nur ein Dutzend Alben unter seinem Namen und viele weitere als Sideman auf, sondern prägte die stilistische Ausrichtung des Labels auch als musikalischer Direktor und Produzent. Unter seiner Regie spielten u.a. Herbie Hancock, Wayne Shorter, Lee Morgan, Donald Byrd, McCoy Tyner‚ Bobby Hutcherson, Joe Henderson, Hank Mobley, Elvin Jones und Frank Foster wichtige Alben für Blue Note ein. Auf “The Phantom” präsentierte sich Duke Pearson 1968 mit einer erstklassigen Band, die sich aus Vibraphonist Bobby Hutcherson, Flötist Jerry Dodgion, den Gitarristen Sam Brown und Al Gafa, Bassist Bob Cranshaw, Schlagzeuger Mickey Roker sowie den Perkussionisten Victor Pantoja und Carlos “Patato” Valdés zusammensetzte. In den sechs Nummern des Repertoires, von denen vier besonders eingängige aus Pearsons Feder stammten, kombiniert die Band hier lässig groovenden und funkigen Hard-Bop mit diversen brasilianischen und anderen lateinamerikanischen Stilelementen. Zu den Highlights zählen das hypnotisiernde zehnminütige Titelstück, die bluesige Ballade “Say You’re Mine” und ein fröhlicher Chorinho mit dem englischsprachigen Titel “Little Yellow Streetcar”, dessen Übersetzung ins brasilianische Portugiesisch im wahrsten Sinne des Wortes in die Hose gegangen war: denn statt “Bondinho Amarelo” (“Kleine gelbe Straßenbahn”) betitelte es Pearson unfreiwillig komisch “Bunda Amerela” (“Gelber Hintern”).