“Tone Poet”-Serie – oft übersehene Hard-Bop-Juwelen
Trompeter Lee Morgan und Pianist Duke Pearson gehörten in den 1960ern zu den produktivsten Blue-Note-Künstlern. Jetzt erscheinen zwei unterschätzte Meisterwerke von ihnen wieder auf Vinyl: Morgans “Infinity” und Pearsons “The Right Touch”.
JazzEcho-Plattenteller: Lee Morgan "Infinity" / Duke Pearson "The Right Touch" (Tone Poet Vinyl)
03.08.2023
Diese LPs und weitere Folgen aus der Tone Poet-Serie finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Die Vinyl-Wiederveröffentlichungen der “Tone Poet”-Reihe präsentieren Klangpoeten, die ihren eigenen Weg gegangen sind, um einige wirklich originelle Sounds zu erzeugen. Inspiriert wurde Blue-Note-Präsident Don Was zu dieser Kollektion durch die außergewöhnlichen audiophilen Vinyl-Wiederveröffentlichungen, die Joe Harley seit Jahren bei dem von ihm mitgegründeten Label Music Matters herausbringt. Der Saxofonist Charles Lloyd verlieh ihm für sein außerordentliches Gespür für die Klangästhetik des LP-Formats den Ehrentitel “Tone Poet”, den Harley heute mit Stolz trägt. Die LPs der Reihe werden mit viel Liebe für Details gefertigt – angefangen bei der Tonqualität und dem Mastering über die hochwertige Pressung auf 180-Gramm-Vinyl bis hin zur Gestaltung der schweren, laminierten Gatefold-Sleeves und der Druckqualität.
Lee Morgan – Infinity
Annähernd 20 Alben nahm Lee Morgan in den 1960er Jahren unter seinem eigenem Namen für Blue Note auf. Allein vier davon spielte der junge Trompeter, der zuvor schon in der Bigband von Dizzy Gillespie, an der Seite von John Coltrane und mit Art Blakeys Jazz Messengers geglänzt hatte, in der Zeit zwischen April und November 1965 ein: “The Rumproller”, ”The Gigolo”, “Cornbread” und “Infinity”. Mit jeweils wechselnden, aber stets hochkarätigen Besetzungen (u.a. Joe Henderson, Wayne Shorter und Herbie Hancock) feuerte Lee Morgan in dieser Zeit kreativ aus allen Zylindern. Bei der Session für “Infinity” traf er im November 1965 auf vier Spielgefährten, die – ähnlich wie er selbst – bestens mit der Jazztradition vertraut waren, aber musikalisch neues Terrain erkunden wollten: der brillante Altsaxofonist Jackie McLean, Pianist Larry Willis, Bassist Reggie Workman und Schlagzeuger Billy Higgins. Bei AllMusic verlieh Scott Yanow dem Album vier Sterne und schrieb: “Die Musik (vier Originale von Morgan und eines von McLean) ist, auch wenn sie an die Hard-Bop-Tradition anknüpft, reizvoll und (mit Ausnahme des abschließenden Uptempo-Blues ‘Zip Code’) recht knifflig; sie inspiriert diese talentierten Musiker wirklich. Ein unterschätztes Juwel.” Das Juwel wurde tatsächlich lange Zeit so sehr unterschätzt, dass es bis 1981 auf seine Erstveröffentlichung hatte warten müssen.
Duke Pearson – The Right Touch
Ein weiterer Musiker, der in den 1960er Jahren – so wie Lee Morgan – zu den produktivsten Künstlern von Blue Note gehörte, war der Pianist Duke Pearson. Doch anders als der allseits gefeierte Morgan segelte Pearson weitgehend unter dem Radar vieler Jazzfans hindurch. Das fantastische Album “The Right Touch” von 1967, das jetzt in der “Tone Poet”-Serie auf Vinyl wiederveröffentlicht wird, ist vielleicht der perfekte Ausgangspunkt für eine überfällige Neubewertung von Pearsons sublimen Talenten als Pianist, Komponist und Arrangeur, die er damals auch auf vielen Blue-Note-Alben von Donald Byrd zeigen konnte. “The Right Touch” bietet sechs denkwürdige Originale von Pearson, arrangiert für eine dynamische achtköpfige Band mit Trompeter Freddie Hubbard, Posaunist Garnett Brown, den Altsaxofonisten und Flötisten James Spaulding und Jerry Dodgion, Tenorsaxofonist Stanley Turrentine, Bassist Gene Taylor und Schlagzeuger Grady Tate. Zu den Höhepunkten des Sets gehören der feurige Opener “Chili Peppers”, das locker swingende “Make It Good” (ein Feature für Pearsons elegantes Klavierspiel), die exquisite Bossa-Nova-Ballade “My Love Waits (O Meu Amor Espera)”, bei der Hubbards Flügelhorn die Führung übernimmt, und der bodenständige Blues “Scrap Iron”, in dem Turrentine sein gefühlvolles Tenorsax in Szene setzen kann. Bei AllMusic erhielt das mit Latin-Elementen gewürzte Hard-Bop-Album, das dort als “eine der besten Aufnahmen in Duke Pearsons Karriere” beschrieben wird, die seltene Höchstwertung von fünf Sternen.