In seiner audiophilen “Tone Poet”-LP-Reihe präsentiert Blue Note diesmal vier Tonschätze von Lee Morgan, Duke Ellington, Herbie Hancock und Dr. Lonnie Smith.
JazzEcho-Plattenteller: Lee Morgan - The Cooker / Duke Ellington - Money Jungle / Herbie Hancock - The Prisoner / Dr. Lonnie Smith - All In My Mind
05.06.2020
Diese LPs und weitere Folgen aus der Tone Poet-Serie finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Die Vinyl-Wiederveröffentlichungen der “Tone Poet”-Reihe präsentieren Klangpoeten, die ihren eigenen Weg gegangen sind, um wirklich originelle Sounds zu erzeugen. Inspiriert wurde Blue-Note-Präsident Don Was zu dieser Kollektion durch die außergewöhnlichen audiophilen Vinyl-Wiederveröffentlichungen, die Joe Harley seit Jahren bei dem von ihm mitgegründeten Label Music Matters herausbringt. Der Saxophonist Charles Lloyd verlieh ihm für sein außerordentliches Gespür für die Klangästhetik des LP-Formats den Ehrentitel “Tone Poet”, den Harley heute mit Stolz trägt. Die LPs der Reihe werden mit viel Liebe für Details gefertigt – angefangen bei der rein analogen Produktionskette über die hochwertige Pressung auf 180-Gramm-Vinyl bis hin zur Verarbeitung der schweren, laminierten Gatefold-Sleeves.
Lee Morgan – The Cooker (1957)
Was für ein brillanter Trompeter Lee Morgan war, macht er sofort in “A Night In Tunisia” klar, der Eröffnungsnummer seines Albums “The Cooker”. Wenn man sein ebenso eloquentes wie feuriges Solo in diesem Gillespie-Klassiker hört, ist kaum zu fassen, dass Morgan damals erst 19 Jahre alt war. Tatsächlich war “The Cooker” bereits sein fünftes Blue Note-Album als Leader, zugleich aber auch das erste, auf dem er mit “Heavy Dipper” und “New-Ma” eigene Kompositionen präsentierte. Eingespielt hatte der Trompeter es im September 1957 exakt zwei Wochen nach seinem schillernden Auftritt auf John Coltranes Meisterwerk (und einzigem Blue-Note-Album) “Blue Train”. Von Coltrane hatte er sich für die Aufnahmen von “The Cooker” auch das aus Bassist Paul Chambers und Schlagzeuger Philly Joe Jones bestehende Rhythmusgespann ausgeliehen. Mit dem großartigen Pianisten Bobby Timmons und dem virtuosen Baritonsaxophonisten Pepper Adams stießen bei der Session noch zwei weitere musikalische Schwergewichte dazu. “Morgan spielt für sein Alter bemerkenswert gut”, lobte Scott Yanow im All Music Guide, “und stand bereits auf einer Stufe knapp unter Dizzy Gillespie und Miles Davis.”
Duke Ellington – Money Jungle (1962)
In die Annalen des Jazz ging Duke Ellington vor allem als charismatischer Bandleader und brillanter Komponist ein, der seine stets hochkarätig besetzten Orchester nonchalant vom Klavierhocker aus dirigierte. Übersehen wurden oft seine ausgezeichneten Qualitäten als Pianist, da er diese leider viel zu selten in den Vordergrund gerückt hatte. Eine der seltenen Ausnahmen (und nach Meinung vieler Kritiker auch die beste) stellte das 1962 aufgenommene Album “Money Jungle” dar. Auf ihm kam es zu einer denkwürdigen, weil einmaligen Begegnung Ellingtons mit zwei weiteren Jazz-Titanen: Bassist Charles Mingus und Schlagzeuger Max Roach. In DownBeat gab Don DeMichael dem Album damals die seltene Höchstwertung von fünf Sternen und schrieb: “So wie auf diesem Album habe ich Ellington noch nie spielen gehört; Roach und insbesondere Mingus treiben ihn so stark an, dass man fast hören kann, wie Ellington sich genötigt sieht, ihnen zu zeigen, wer der Boss ist – und er dominiert beide, was keine geringe Leistung ist.” In der Village Voice meinte der notorisch schwer zufriedenzustellende Kritikerguru Robert Christgau fast ein Vierteljahrhundert später: “Die kantige Chromatik und der modernistische Swing dieser Session lässt die meisten anderen Klaviertrio-Platten wie Aufnahmen aus einem Supper Club klingen.”
Herbie Hancock – The Prisoner (1969)
Mit einem letzten großen Projekt verabschiedete sich Herbie Hancock 1969 von dem Label Blue Note Records, für das er zuvor in sieben Jahren so bahnbrechenden Alben wie “Takin' Off”, “Empyrean Isles”, “Maiden Voyage” und “Speak Like A Child” aufgenommen hatte. “The Prisoner” war zudem das erste Album, das der Pianist nach seinem Ausstieg aus dem legendären Miles Davis Quintet aufnahm. Für seine letzte Blue-Note- Session, bei der er dem ein Jahr zuvor ermordeten Dr. Martin Luther King auf bewegende Weise Tribut zollte, stellte Hancock ein Nonett mit u.a. dem Tenorsaxophonisten Joe Henderson, Flügelhornist Johnny Coles, Flötist Hubert Laws, Posaunist Garnett Brown, Bassist Buster Williams und Drummer Albert “Tootie” Heath zusammen. Das ambitionierte, ungewöhnlich dunkle und politisch aufgeladene Repertoire bestand aus vier neuen Kompositionen von Hancock und einer von Buster Williams. “Mit diesem Album habe ich es geschafft, meinem wahren Ich näher zu kommen als auf allen vorausgegangenen Alben”, verriet Hancock in den Liner Notes zu “The Prisoner”. Tatsächlich war ihm mit dem Album ein absolut beeindruckendes Meisterwerk gelungen, das seinen bekannteren Arbeiten in nichts nachsteht.
Dr. Lonnie Smith – All In My Mind (2018)
Seit rund 50 Jahren gehört Dr. Lonnie Smith zu den schillerndsten Figuren des Jazz. Und natürlich kommt sein Charisma nirgends besser zur Geltung als auf der Bühne. Denn erst dort befindet sich die “Groovemaschine” (JazzDrummerWorld) in ihrem wahren Element. “Das, was ich in einem Augenblick empfinde, ist im Studio nur schwer einzufangen”, meint der Hammond-B3-Organist, der sich Ende der 1960er Jahre mit klassischen Soul-Jazz-Alben für Blue Note einen Namen gemacht hatte. “Wenn man mich live hört, dann erwischt man mich dabei, wie ich in einem bestimmten Moment spiele. Der Höhepunkt in meiner Karriere ist immer noch für die Leute da draußen zu spielen. Mit geht es nicht ums Geld, Musik ist dafür da, Menschen glücklich zu machen.” Genau das tat er 2017, als er anläßlich seines 75. Geburtstags mit seinen formidablen Trio-Partnern (Gitarrist Jonathan Kreisberg und Drummer Johnathan Blake) und Gästen eine Woche lang im Jazz Standard in New York auftrat. Dabei entstanden die Aufnahmen für das mitreißende Live-Album “All In My Mind”. In der “Tone Poets”-Serie erscheint nun erstmals eine Vinyl-Ausgabe mit fünf der ursprünglich sieben Tracks des Albums, darunter Jazzklassiker von Wayne Shorter, Tadd Dameron und Freddie Hubbard sowie eine fast zehnminütige Interpretation von Paul Simons Hit “50 Ways To Leave Your Lover”.