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“Tone Poet”-Serie – zwei Klassiker, die ihrer Zeit musikalisch zu sehr voraus waren

Mit Bobby Hutchersons “Medina” und Lee Morgans “Taru” erscheinen in der “Tone Poet”-Serie zwei Alben, die zwar schon in den späten 1960ern eingespielt, aber erst 1980 zum ersten Mal veröffentlicht wurden.
JazzEcho-Plattenteller: Bobby Hutcherson "Medina" / Lee Morgan "Taru" (Blue Note Tone Poet Vinyl)
JazzEcho-Plattenteller: Bobby Hutcherson "Medina" / Lee Morgan "Taru" (Blue Note Tone Poet Vinyl)
31.07.2024
Diese LPs und weitere Folgen aus der Tone Poet-Serie finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Bobby Hutcherson – Medina
Das Quintett, das der Vibraphonist Bobby Hutcherson zwischen 1968 und 1971 mit dem Tenorsaxofonisten und Flötisten Harold Land unterhielt, schuf einige der modernistischsten Post-Hardbop- und Soul-Jazz-Alben jener Ära. Man könnte fast sagen, dass sie sogar ein wenig zu vorausschauend für die damalige Zeit waren. Dies mag auch erklären, warum drei der exzellenten Alben dieses Quintetts erst etliche Jahre später herauskamen. Eines davon war das im August 1969 eingespielte Album “Medina”, das von Blue Note erstmals 1980 veröffentlicht wurde. Hutcherson und Land bestechen hier mit atemberaubendem Unisono-Spiel und ungemein inspirierten freien Soli. Angetrieben und unterstützt werden sie dabei von einer sehr groovigen Rhythmusgruppe mit Stanley Cowell am Klavier, Reggie Johnson am Kontrabass und dem unvergleichlichen Joe Chambers am Schlagzeug. Die Originalität des Quintetts spiegelt sich auch in den sechs hier vorgestellten Originalen wider, von denen jeweils zwei aus der Feder von Hutcherson, Cowell und Chambers stammen. Bei AllMusic verlieh Steve Huey dem Album die seltene Höchstwertung von fünf Sternen und schrieb: “In gewisser Weise ist es verständlich, dass diese Musik über ein Jahrzehnt lang in der Schublade lag: sie entsprach nicht dem Zeitgeist der späten 60er Jahre. Sie hatte nichts mit Fusion gemein und war auch nicht so radikal wie ein Großteil der damaligen Avantgarde. Andererseits ist es aber auch nicht so verständlich – die Musik war wirklich gut, oft sogar ausgezeichnet, und das Quintett hatte ein Händchen dafür, anspruchsvollen, zum Mainstream tendierenden modalen Post-Bop überraschend gefühlvoll klingen zu lassen.”
 
Lee Morgan – Taru
Auch Lee Morgans Album “Taru” schlummerte mehr als zehn Jahre lang in den Tonarchiven von Blue Note. Und hier ist es sogar noch weniger nachvollziehbar, weshalb die Jazzfans bis 1980 auf die Erstveröffentlichung warten musste. Denn der brillante Trompeter, der im Alter von nur 33 Jahren im Februar 1972 vor einem New Yorker Jazzclub von seiner Lebensgefährtin erschossen wurde, war über fünfzehn Jahre hinweg einer der produktivsten, erfolgreichsten und beliebtesten Künstler von Blue Note gewesen. Als er im Februar 1968 “Taru” einspielte, befand sich Morgan musikalisch gerade an einem Scheideweg. Reflektiert wird das in der Vielzahl von Stilen, mit denen er sich auf dem Album auseinandersetzt: das Spektrum reicht von modalem Jazz und Post-Bop bis hin zu wunderschönen Balladen und funkigen Boogaloos. Zusätzliche Inspiration erhielt Morgan damals von einem progressiv ausgerichteten Sextett, aus dem vor allem zwei Musiker herausstachen: der Tenorsaxofonist Bennie Maupin, der ein Jahr später Miles Davis auf “Bitches Brew” begleiten und danach Mitglied von Herbie Hancocks Bands Mwandishi und Headhunters werden sollte, und der Gitarrist George Benson, der einen Monat vor der Aufnahme von “Taru” noch auf dem Davis-Album “Miles In The Sky” gastiert hatte. Komplettiert wurde das Line-up durch den Pianisten John Hicks, den Bassisten Reggie Workman und den Schlagzeuger Billy Higgins.
 
In der “Tone Poet”-Reihe präsentiert der Jazz- und Audiospezialist Joe Harley von Music Matters und AudioQuest auf audiophilem Vinyl Reissues ausgewählte Blue-Note-Werke von den größten und originellsten Klangpoeten des Jazz.
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