JazzEcho-Plattenteller | News | Verve By Request - auf vielfachen Wunsch wieder zurück

Verve By Request – auf vielfachen Wunsch wieder zurück

Mit Alben von Alice Coltrane und Roy Brooks wird die legendäre “Verve By Request”-Serie zu neuem Leben erweckt. Diesmal allerdings nicht auf CD, sondern auf Vinyl.
JazzEcho-Plattenteller: Alice Coltrane "Ptah The El Daoud" / Roy Brooks "Beat" (Verve By Request)
JazzEcho-Plattenteller: Alice Coltrane "Ptah The El Daoud" / Roy Brooks "Beat" (Verve By Request)
29.11.2022
Alle LPs der “Verve By Request” Serie und weiteres finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Ende der 1990er Jahre startete Verve Records seine immens erfolgreiche Reissue-Serie “Verve By Request”, in der besondere Raritäten und von Jazzfans gewünschte, längst vergriffenen Klassiker auf CD wiederveröffentlicht wurden. Jetzt wird die Serie wiederbelebt, den neuen Marktwünschen gemäß gibt es die ausgewählten Werke allerdings nicht auf CD, sondern auf Vinyl. Als Partner konnte Third Man Records gewonnen werden. Das Label wurde 2001 von dem Indie-Rocker Jack White (The White Stripes) gegründet und betreibt in Detroit ein exzellentes Vinyl-Presswerk (mit aus Deutschland importierten Maschinen) und ein Audio-Mastering-Studio. 
Erscheinen werden in der Serie sorgfältig ausgewählte Titel, die meist schon seit langem vergriffen sind, aber auch Alben aus den neunziger und nuller Jahren (wie z.B. Wayne Shorters “Footprints Live!” aus dem Jahr 2002 und Herbie Hancocks “The New Standard” von 1996), die bis heute noch nicht auf Vinyl veröffentlicht wurden. Alle Alben werden, sofern möglich, von den analogen Originalbändern neu gemastert und bei Third Man Pressing in Detroit auf 180-Gramm-Vinyl in audiophiler Qualität gepresst. Zum Auftakt – sozuagen als Reverenz an die “Geburtstätte” von Third Man Records – gibt es Alben von zwei aus Detroit stammenden Künstlern: “Ptah, The El Daoud” (1970) von der Pianistin und Harfenistin Alice Coltrane und “Beat” (1964) von Schlagzeuger Roy Brooks.
Alice Coltrane – Ptah, The El Daoud
Die Familie von Alice McLeod Coltrane, die mit der von Berry Gordy Jr. befreundet war, war ein integraler Bestandteil der Detroiter Musikszene: Alices Halbbruder Ernie Farrow spielte über viele Jahre hinweg als Bassist mit Yusef Lateef, während ihre Schwester Marilyn McLeod als Songschreiberin für Motown tätig war. Alice selbst hatte ihre Karriere in der Detroiter Clubszene gestartet, bevor sie Ende der 1950er nach Paris ging, wo sie u.a. Privatstunden von Bud Powell erhielt. In Schwung geriet ihre eigene Karriere aber erst so richtig durch die Begegnung mit John Coltrane, den sie 1965 heiratete.
Ptah, The El Daoud”, aufgenommen 1970 im Kellerstudio des Hauses der Coltrane-Familie in Dix Hills auf Long Island, New York, gilt als eines der transzendenten Meisterwerke des Spiritual Jazz. Es war Alice Coltranes drittes Album für Impulse! Records. Während sie ihre ersten beiden Alben fast durchweg im Trio eingespielt hatte, agierte sie diesmal in einem Quintett mit den beiden Tenorsaxofonisten und Flötisten Pharoah Sanders und Joe Henderson, Bassist Ron Carter und Schlagzeuger Ben Riley. Das Titelstück ist eine Ode an den ägyptischen Schöpfergott Ptah (El Daoud bedeutet “der Geliebte”). Viele Momente des Albums erreichen das, was Alice Coltrane selbst mit dem Begriff Turiya bezeichnete: “Ein Bewusstseinszustand – der hohe Zustand des Nirwana, das Ziel des menschlichen Lebens.”
“Vielleicht genauso stark wie die Kompositionen sind aber auch die Darbietungen, die Coltrane ihren Begleitern entlockt, insbesondere den Bläsern”, schreibt Stacia Proefrock bei AllMusic. “Joe Henderson, auf dessen technische Exzellenz man sich immer verlassen kann, legt hier eine Performance hin, die einfach auf einem ganz anderen Level ist als viele seiner anderen Arbeiten – freier, offener und flüssiger als fast überall sonst. Pharoah Sanders, der im Zusammenspiel mit John Coltrane zeitweise wie eine magnetische Kraft der Entropie wirkte, die ihn immer mehr ins Chaos trieb, zeigt hier die ganze Innovation und spirituelle Energie, für die er bekannt ist, ohne je ins ekstatische Gekreische zu verfallen. Dieses Album, das jahrelang übersehen wurde und in Obsukurität begraben war, verdient es, als das Juwel, das es ist, anerkannt zu werden.”
Roy Brooks – Beat
Der Schlagzeuger Roy Brooks hatte bereits mit einigen illustren Größen gespielt, als er 1963 für Berry Gordys kurzlebigen Motown-Jazzableger Workshop Jazz Records sein Debütalbum “Beat” im legendären Hitsville U.S.A. Studio einspielen konnte. Ein Studium am Detroit Institute of Technology hatte Brooks nach drei Semestern hingeworfen, um mit dem Saxofonisten Yusef Lateef zu touren. Dann folgten Gigs mit Barry Harris und den Four Tops sowie ein längeres Engagement bei Horace Silver, auf dessen Klassikeralbum “Song For My Father” er zu hören war. Zur selben Zeit wie einige der Aufnahmen für “Song For My Father” entstand auch das Album “Beat”, für das Brooks drei Kollegen des damaligen Horace Silver Quintet ins Studio mitnahm: Trompeter Blue Mitchell, Tenorsaxofonist Junior Cook und Bassist Eugene “Gene” Taylor. Aus Brooks Heimatstadt Detroit stießen dazu noch Posaunist George Bohanon (der zum Kreis von Motowns Funk Brothers gehörte) und Pianist Hugh Lawson (der – wie Brooks – viel mit Yusef Lateef gespielt hatte). Das Repertoire ist erstaunlich vielfältig: es bietet zwei Kompositionen von Joe Henderson (“Homestretch” und “Soulin’”), “Soulsphere” von Alice Coltrane, “My Secret Passion” von Duke Pearson, “If You Could See Me Now” von Tadd Dameron und schließlich “Passin’ The Buck”, ein selbst geschriebenes Stück von Sessionleader Roy Brooks.
Laut Jason Ankeny von AllMusic verbindet Roy Brooks hier “die intellektuelle Präzision des modernen Jazzidioms mit der physischen Kraft des Soul-Jazz, um ein Album von ungewöhnlicher Bandbreite und Reichweite zu erschaffen. […] Brooks kanalisiert Einflüsse aus der gesamten Motor-City-Szene, was zu einer Reihe anspruchsvoller, aber fesselnder Darbietungen mit der unverkennbaren Patina des embryonischen Motown-Sounds führt. Während die in den Darbietungen gezeigten technischen Fertigkeiten beeindruckend sind, verlieren Brooks’ Rhythmen nie den allmächtigen Groove aus den Augen. Und so besitzt die Aufnahme trotz ihrer Hard-Bop-Schärfe den sprichwörtlich guten Beat, zu dem man sogar tanzen kann.”
Mehr von JazzEcho-Plattenteller