Verve By Request – avantgardistische Klangalchemisten
Mit “Love Cry” von Albert Ayler und “ Space Is The Place” von Sun Ra erscheinen in der “Verve By Request”-Reihe nun Alben von zwei Musikern, die zu den originellsten und unorthodoxesten des Jazz zählten.
JazzEcho-Plattenteller: Sun Ra "Space Is The Place" / Albert Ayler" Love Cry" (Verve By Request Vinyl)
Für so manchen Insider der Jazzszene der 1960er Jahre war Albert Ayler der Mann, der prädestiniert war, das Erbe von John Coltrane anzutreten. Coltrane selbst hatte kurz vor seinem Tod dafür gesorgt, dass Impulse-Chef Bob Thiele dem Instrumentalkollegen einen Plattenvertrag gab. Coltrane starb am 17. Juli 1967. Und vier Tage später trat Albert Ayler mit seinem jüngeren Bruder Donald und Ornette Coleman beim Begräbnis des “Mentors” auf. “Thieles Absicht, Ayler in Coltranes Fußstapfen treten zu lassen, wurde auf ‘Love Cry’, Aylers Studiodebüt für Impulse, noch deutlicher”, heißt es in Ashley Kahns Buch “Impulse! Das Label, das Coltrane erschuf”. “ Frank Kofskys Begleittext beginnt mit einer Erinnerung an Coltranes Beerdigung, präsentiert dann ‘Love Cry’ als ‘Love Supreme’ in neuer Gestalt und zitiert schließlich Ayler selbst mit dessen Darstellung des heiligen Dreigestirns der Avantgarde: Coltrane als ‘Der Vater’, Pharoah Sanders als ‘Der Sohn’ und Albert Ayler selbst als ‘Der Heilige Geist’.” “Love Cry” war 1968 das erste Studioalbum für das Label und zugleich Alberts letzte Aufnahme mit seinem Bruder Donald an der Trompete. Komplettiert wurde die Besetzung durch den Bassist Alan Silva, Schlagzeuger Milford Graves und bei einigen Stücken Call Cobbs am Cembalo. Jazzwise stellte das Album 2019 auf eine Stufe mit John Coltranes “Om” und Archie Shepps “The Magic Of Ju Ju” und bezeichnete die Musik als “experimentellen Acid Jazz in seiner stärksten Ausprägung.” Bedauerlicherweise sollte der auserkorene Nachfolger Coltrane auch nur um etwas mehr drei Jahre überleben: Albert Ayler starb am 25. November 1970 mit 34 Jahren.
Sun Ra – Space Is The Place
Für einige war Sun Ra nichts weiter als ein großer Scharlatan, für andere einer der ganz großen Mystiker und Innovatoren des Jazz. Fakt ist: Das verschrobene Genie, das stets leugnete irdischer Abstammung zu sein, schuf ein wirklich einzigartiges, abenteuerliches Klanguniversum, das er ab den Mittfünfzigern bis zu seinem Abschied vom Planeten Erde (und seiner Rückkehr zum Saturn) 1993 mit gleichgesinnten Musikern unermüdlich bereiste und erforschte. Während seines Aufenthalts auf der Erde nahm er über einhundert Alben auf, die meisten davon für sein eigenes Label El Saturn. Das faszinierende Album “Space Is The Place”, 1972 ursprünglich für Blue Thumb Records eingespielt und später von Impulse! wiederveröffentlicht, gehört zu den essentiellen Aufnahmen des großen Klangalchemisten. Zugleich bietet es neuen Hörern eine großartige Startrampe für eine Erkundung von Sun Ras außerweltlicher Mischung aus Avantgarde-Jazz, experimentellem Rock und Afrofuturismus. Zu hören ist Sun Ra, der hier Farfisa-Orgel und Klavier spielt, mit seinem zwölfköpfigen Astro Intergalactic Infinity Arkestra (u.a. mit Marshall Allen, John Gilmore, Danny Thompson, Pat Patrick und Lex Humphries) sowie vier weiblichen Space Ethnic Voices, die natürlich von der einzigartigen June Tyson angeführt wurden.