Verve By Request – Meisterwerke, die Fußspuren hinterlassen und neue Standards gesetzt haben
Mit “The New Standard” und “Footprints Live!” schufen Herbie Hancock und Wayne Shorter vor über 20 Jahren zwei moderne Jazzklassiker. Nun erscheinen diese in der Reihe Verve By Request erstmals auf Doppel-Vinyl.
JazzEcho-Plattenteller: Herbie Hancock "The New Standard" / Wayne Shorter "Footprints Live!" (Verve By Request)
Ende der 1990er Jahre startete Verve Records seine immens erfolgreiche Reissue-Serie “Verve By Request”, in der besondere Raritäten und von Jazzfans gewünschte, längst vergriffenen Klassiker auf CD veröffentlicht wurden. Jetzt ist diese Reihe wiederbelebt worden, diesmal allerdings gibt es die ausgewählten Werke nicht auf CD, sondern auf Vinyl. Als Partner fungiert dabei das 2001 von dem Indie-Rocker Jack White (The White Stripes) gegründete Label Third Man Records, das in Detroit ein exzellentes Vinyl-Presswerk (mit aus Deutschland importierten Maschinen) und ein Audio-Mastering-Studio unterhält. In der Serie erscheinen sorgfältig ausgewählte Alben, die vielfach schon seit langem vergriffen sind, aber auch Alben aus den neunziger und nuller Jahren, die bis heute noch nicht auf Vinyl veröffentlicht wurden. Alle Aufnahmen werden, sofern möglich, von den analogen Originalquellen neu gemastert und bei Third Man Pressing in Detroit auf 180-Gramm-Vinyl in audiophiler Qualität gepresst.
Wayne Shorter – Footprints Live!
Als Wayne Shorter im Jahr 2000 sein Quartett mit Pianist Danilo Pérez, Bassist John Patitucci und Schlagzeuger Brian Blade zusammenstellte, konnte niemand erahnen, wie langlebig und erfolgreich diese Formation sein würde. Denn in seiner gesamten vorherigen Solokarriere, die zu diesem Zeitpunkt immerhin rund 40 Jahre umspannte, hatte der Saxophonist noch nie eine feste Band unterhalten, sondern seine Alben und Tourneen stets mit wechselnden Musikern bestritten. Bis er sich 2018 aus gesundheitlichen Gründen zur Ruhe setzte, nahm Shorter mit den Musikern dieses sogenannten “Footprints”-Quartetts noch ein Studio-Album (“Alegria”) und drei weitere Live-Alben (“Beyond The Sound Barrier”, “Without A Net” & “Emanon”) auf, die ihm insgesamt sechs Grammy Awards einbrachten. Über das für einen Grammy nominierte Debütalbum des Quartetts, das nun zum ersten Mal als Doppelalbum auf Vinyl erschienen ist, schrieb Michael Möhring damals in Tonart: “Shorters Idee, sich ausgesuchten Klassikern des eigenen Backkataloges zu widmen, ohne dabei in retrospektive Belanglosigkeiten abzugleiten, bestimmt letztendlich die herausragende Qualität dieser Einspielung. Stücke aus alten Blue Note-Zeiten, wie ‘Juju’, ‘Go’ oder ‘Footprints’, erfahren unter den Händen dieses Quartetts eine Frischzellenkur ungeahnten Ausmaßes. Es sind formidable Kompositionen, die den Ausgangspunkt für erfrischende harmonische und rhythmische Verknüpfungen bestimmen. Verknüpfungen, die gleichzeitig imstande sind, tiefgehende musikalische Geschichten zu formulieren. Das Glück, dafür auch die adäquaten Musiker gefunden zu haben, teilt sich dem Hörer in fast jeder Note mit.”
Herbie Hancock – The New Standard
Einen ganz anderen Pfad als sein alter Freund und Kollege Wayne Shorter schlug Herbie Hancock auf seinem 1996 erschienenen Album “The New Standard” ein, das nun ebenfalls erstmals als Doppelalbum auf Vinyl erhältlich ist. Der Titel des Albums war zugleich Programm. Denn der Pianist münzte hier, einer alten Jazztradition folgend, clever etwas ältere und sehr zeitgenössische Pop-, Rock- und Rhytm’n’Blues-Songs von u.a. Stevie Wonder, Prince, Sade, Peter Gabriel, Steely Dan und Nirvana in neue Jazzstandards um. Unterstützt wurde er dabei von einem wahren All-Star-Ensemble mit dem Saxofonisten Michael Brecker, Gitarrist John Scofield, Bassist Dave Holland, Schlagzeuger Jack DeJohnette und Perkussionist Don Alias. Für die Arrangements hatte Hancock mit Bob Belden ebenfalls einen Meister seines Faches engagiert.
“Vom ersten Stück ‘New York Minute’ an strotzt dieses Album vor Energie und Kreativität”, schrieb Jazzwise 2006 in einer Rezension des Albums. “Hancock schwingt sich in luftige Höhen auf und Brecker brennt. Dies ist dynamischer Jazz von einigen der größten Musiker der Gegenwart. Ein oder zwei Stücke schaffen die Verwandlung in eine Jazznummer nicht ganz so erfolgreich, aber neun der elf Titel sind tadelloser, brennender Jazz im New Yorker Stil und auf höchstem Niveau. Ich mag sogar Scofields elektrische Sitar in dem Nirvana-Stück ‘All Apologies’, während das Crescent-City-Gefühl, das sie Princes ‘Thieves In The Temple’ verleihen, den Song in ein neues Licht rückt. Äußerst empfehlenswert.” Kurios ist, dass Herbie Hancock für die einzige Eigenkomposition des Albums, “Manhattan (Island Of Lights And Love)”, 1997 mit dem Grammy Award in der Kategorie “Beste Instrumentalkomposition” ausgezeichnet wurde.