Verve By Request – musikalische Freigeister mit Groove in den Adern
In der Reihe Verve By Request werden diesmal Alben von zwei der experimentierfreudigsten Saxofonisten des Jazz auf Vinyl wiederveröffentlicht: “Psychicemotus” von Yusef Lateef und “Black Unity” von Pharoah Sanders.
Ende der 1990er Jahre startete Verve Records seine immens erfolgreiche Reissue-Serie “Verve By Request”, in der besondere Raritäten und von Jazzfans gewünschte, längst vergriffenen Klassiker auf CD veröffentlicht wurden. Jetzt ist diese Reihe wiederbelebt worden, diesmal allerdings gibt es die ausgewählten Werke nicht auf CD, sondern auf Vinyl. Als Partner fungiert dabei das 2001 von dem Indie-Rocker Jack White (The White Stripes) gegründete Label Third Man Records, das in Detroit ein exzellentes Vinyl-Presswerk (mit aus Deutschland importierten Maschinen) und ein Audio-Mastering-Studio unterhält. In der Serie erscheinen sorgfältig ausgewählte Alben, die vielfach schon seit langem vergriffen sind, aber auch Alben aus den neunziger und nuller Jahren, die bis heute noch nicht auf Vinyl veröffentlicht wurden. Alle Aufnahmen werden, sofern möglich, von den analogen Originalquellen neu gemastert und bei Third Man Pressing in Detroit auf 180-Gramm-Vinyl in audiophiler Qualität gepresst.
Yusef Lateef – Psychicemotus
Als der Saxofonist und Flötist Yusef Lateef 2013 starb, schrieb Peter Keepnews in seinem Nachruf für die New York Times, dass er ein Musiker gewesen sei, der “schon Weltmusik gespielt habe, bevor diese überhaupt Weltmusik genannt wurde”. Bereits auf seinen frühesten Soloalben in den späten 1950er Jahren fiel Lateef dadurch auf, dass er neben dem Tenorsaxofon und einer traditionellen Querflöte auch exotische Instrumente wie die arabische Arghul oder die nordindische Shehnai blies. Exzellente Beispiele für seine Weltoffenheit finden sich auch auf seinem 1965 entstandenen Impulse!-Album “Psychicemotus”, für das er ein Quartett mit dem französischen Pianisten Georges Arvanitas, dem Bassisten Reggie Workman und dem aus New Orleans stammenden und Funk-geschulten Schlagzeuger James Black zusammengestellt hatte. Lateef selbst spielt neben Tenorsax und Querflöte auch Oboe, Perkussion, chinesische Flöten und Bambusflöten. Das Programm besteht je zur Hälfte aus Eigenkompositionen wie dem abenteuerlichen Titelstück, dem coltranesken “Semiocto” und dem wunderschön vorgetragenen “Bamboo Flute Blues” sowie Interpretationen von Jazzstandards wie Fats Wallers Gassenhauer “Ain’t Misbehavin’”. Ein überraschendes Zwischenspiel bietet Georges Arvanitas mit einer besonders gefühlvollen Piano-Solo-Version von Erik Saties “First Gymnopédie”.
Pharoah Sanders – Black Unity
In der Kürze liegt die Würze, heißt es. Entweder hatte Saxophonist Pharoah Sanders William Shakespeares “Hamlet” nicht gelesen (denn dem haben wir das Sprichwort zu verdanken) oder er wollte 1971 mit “Black Unity” bewusst das Gegenteil beweisen. Denn auf diesem Meisterwerk befand sich nur ein einziges Stück, das sich aber über zwei Plattenseiten und mehr als 37 Minuten erstreckt. Der US-amerikanische Musikkritiker Joe S. Harrington beschrieb das außergewöhnliche Opus als eine “Übung in einem kontinuierlichen harmonischem Groove, die nicht zu schlagen ist”. In seiner Marathonnummer knüpfte Sanders an den Spiritual und Free Jazz seiner früheren Impulse!-Alben an, gab diesem aber durch einen unwiderstehlich hypnotisierenden Groove einen völlig neuen Drive. Erreicht wurde das u.a. durch eine fantastische Doppelbesetzung an Bass (Stanley Clarke & Cecil McBee) und Schlagzeug (Norman Connors & Billy Hart), zu der sich außerdem noch Pianist Joe Bonner und Perkussionist Lawrence Killian gesellten. Und über den von diesen sechs Musikern gewebten Rhythmusteppich segelten dann Pharoah Sanders an Tenor- und Sopransax, Trompeter Marvin “Hannibal” Peterson und der aus Panama stammende Tenorsaxophonist und Flötist Carlos Garnett solistisch frei hinweg.