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Verve By Request Serie – es müssen nicht immer Bilderstürmer sein

Zwei Alben von Sänger Johnny Hartman und Tenorsaxofonist Coleman Hawkins gehören zu den Werken, mit denen Impulse! Records in den frühen 1960er Jahren ein breiteres Jazzpublikum ansprach.
 JazzEcho-Plattenteller:  Coleman Hawkins Quartet "Today And Now" / Johnny Hartman "I Just Dropped By To Say Hello" (Verve by Request LP)
JazzEcho-Plattenteller: Coleman Hawkins Quartet "Today And Now" / Johnny Hartman "I Just Dropped By To Say Hello" (Verve by Request LP)
06.11.2024
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Johnny Hartman: I Just Dropped By To Say Hello
Als Bob Thiele 1962 mit der kühnen Idee an John Coltrane herantrat, ein Album mit einem Sänger aufzunehmen, war der Produzent insgeheim schon auf eine Abfuhr gefasst, denn auf einem seiner eigenen Alben hatte der Saxophonist noch nie mit einem Vokalisten zusammengearbeitet. Doch Coltrane überraschte Thiele nicht nur mit seiner Zusage, sondern vor allem mit der Wahl des damals wenig bekannten Johnny Hartman, der sich selbst gar nicht als Jazzsänger betrachtete. So ungewöhnlich die Kombination des John Coltrane Quartet mit Johnny Hartman auf dem Papier erschien, so sehr erwies sich das Album als Volltreffer. Und es gab der Karriere des Sängers neuen Schwung.
Nach dem überraschend großen Erfolg von “John Coltrane And Johnny Hartman” produzierte Thiele mit dem auf Balladen spezialisierten Baritonsänger zwei Soloalben für Impulse! Records. Das erste der beiden, “I Just Dropped By To Say Hello”, nahm Hartman im Oktober 1963 mit einer sechsköpfigen All-Star-Besetzung auf, zu der neben Coltranes Schlagzeuger Elvin Jones auch der Tenorsaxofonist Illinois Jacquet und zwei Musiker gehörten, mit denen Hartman schon einige Jahre zuvor zusammengearbeitet hatte: der Pianist Hank Jones und der Bassist Milt Hinton. An der Gitarre sind abwechselnd Kenny Burrell und Jim Hall zu hören. Scott Yanow bewertete das Album bei AllMusic mit viereinhalb Sternen und schrieb: “Hartman ist in diesen elf Stücken, darunter ‘In The Wee Small Hours Of The Morning“, ‘Sleepin’ Bee’, ‘Stairway To The Stars“ und sogar ‘Charade’, in Hochform zu hören. […] Dies ist eine seiner besten Aufnahmen.”
Coleman Hawkins Quartet: Today And Now
Bob Thiele war gerade einmal 17 Jahre alt, als er 1939 sein erstes eigenes Jazzlabel Signature gründete. Ins nationale Rampenlicht katapultierte sich der junge Produzent vier Jahre später mit Aufnahmen von Coleman Hawkins, der als Begründer einer der beiden großen Tenorsaxofonschulen gilt. Während der Stil seines Pendants Lester Young cool, prägnant und nachdenklich war, stand Hawkins für ein leidenschaftliches, überbordendes Spiel. Als Thiele im Herbst 1961 bei Impulse! Records das Ruder von Creed Taylor übernahm, setzte er alles daran, auch für dieses Label Aufnahmen mit seinem Idol Coleman Hawkins zu machen. Innerhalb weniger Wochen produzierte er mit dem Tenoristen drei wunderbare Alben, die zwar im Widerspruch zum damaligen Slogan des Labels (“The New Wave Of Jazz Is On Impulse!”) standen, aber hervorragende Kritiken erhielten und sich glänzend verkauften. Auf dem ersten dieser drei Alben kam es zu einem Gipfeltreffen mit Duke Ellington, einem weiteren Helden Thieles. Auf dem zweiten, “Desafinado”, unternahm Hawk einen Ausflug in die damals angesagten Gefilde der Bossa Nova.
Auf “Today And Now” präsentierte Coleman Hawkins sich schließlich im Quartett mit dem Pianisten Tommy Flanagan, dem Bassisten Major Holley und dem Schlagzeuger Eddie Locke. Am Tag der Aufnahmesession kam Thiele mit einem Stapel von Notenblättern ins Studio, aus denen die Musiker die Stücke aussuchen sollten, die ihnen am besten gefielen. Ihre Wahl fiel unter anderem auf einige schwungvolle Klassiker wie  “Go Li’l Liza” und “Don’t Sit Under The Apple Tree (With Anyone Else But Me)”, das Filmthema “Love Song From ‘Apache’” (das sie in eine der ergreifendsten und schönsten Balladen aller Zeiten verwandelten) und das Titelstück von Quincy Jones’ erst kurz zuvor erschienenem Album “The Quintessence”. Mit “Swingin’ Scotch” steuerte Coleman Hawkins auch eine vitale Eigenkomposition bei.
In der Reissue-Serie “Verve By Request” werden besondere Raritäten und von Jazzfans gewünschte, längst vergriffene Klassiker auf Vinyl wiederveröffentlicht.
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