“Blue Note Live” – weitere LP-Perlen aus den Jazz-Clubs
In der zweiten Live-Staffel der Blue-Note-Vinyl-Serie bringen Jimmy Smith, Dr. Lonnie Smith und Lee Konitz die Clubbühnen zum Kochen.
11.12.2019
Nichts schätzen Jazzfans in aller Welt mehr als den Nervenkitzel einer Live-Performance, bei der Musiker aus dem Stegreif improvisieren und mit dem Publikum kommunizieren. Und genau darum geht es auch bei der zweiten Live-Staffel der Blue-Note-Vinyl-Serie, in der wieder besonders hochkarätige Konzertmitschnitte aus dem Labelkatalog neu aufgelegt werden. Nachdem im ersten Rutsch Live-Alben von Art Blakey & The Jazz Messengers, Horace Silver und Grant Green wiederveröffentlicht wurden, stehen diesmal Konzert-Highlights von den beiden Hammond-B3-Virtuosen Jimmy Smith und Dr. Lonnie Smith (featuring George Benson) sowie Lee Konitz mit Charlie Haden und Brad Mehldau auf dem Programm.
Sämtliche Aufnahmen wurden von Kevin Gray (Cohearent Audio) von den analogen Originalbändern neu gemastert und wie immer in 180-Gramm-Vinyl gepresst.
Jimmy Smith – Groovin' At Smalls' Paradise, Vol. 1 (1957)
“Ich hörte Jimmy Smith das erste Mal im Januar 1956 in Smalls' Paradise”, erinnerte sich Blue-Note-Mitgründer Francis Wolff einst. “Es war sein erster Auftritt in New York. Und der Anblick war atemberaubend. Ein Mann in Zuckungen, das Gesicht verzerrt, geduckt vor scheinbarer Qual, während seine Finger über die Tasten fliegen und seine Füße über die Pedale tanzen. Die Luft war von Klangwellen erfüllt, wie ich sie nie zuvor gehört hatte.” Nach der Entdeckung nahm Alfred Lion den Hammond-B3-Orgel-Virtuosen im Zeitraum von 1956 bis 1957 nicht weniger als vierzehn Mal auf. Dabei entstand auch dieses fantastische Live-Album, das im November 1957 in demselben legendären Club in Harlem mitgeschnitten wurde, in dem Wolff Smith das erste Mal erlebt hatte. Im hervorragend eingespielten Trio mit Gitarrist Eddie McFadden und Schlagzeuger Donald Bailey, mit denen er zuvor bereits drei Alben für Blue Note gemacht hatte, gibt Smith hier in mitreißender Weise drei Standards (“After Hours,” “My Funny Valentine” & “Laura”) und seine selbst verfasste Thelonious-Monk-Hommage “Slightly Monkish” zum Besten.
Lonnie Smith – Live At Club Mozambique (1970)
Eine weitere Hammond-B3-Legende, die sich – ein gutes Jahrzehnt später als Jimmy Smith – einen Namen mit Aufnahmen für Blue Note machte, war Lonnie Smith. Seinen Durchbruch hatte er 1966 als Mitglied des Quartetts von George Benson geschafft. Für einen Auftritt im Detroiter Club Mozambique taten sich die beiden im Mai 1970 erneut zusammen. Weshalb das Album erst 1995 erschien, bleibt ein Rätsel. “Es ist merkwürdig, dass Blue Note diese Aufnahmen so lange unter Verschluss hielt”, wunderte sich Richie Unterberger im All Music Guide. “Denn der Auftritt zählt zu Lonnies besseren. Die Band mit George Benson an der Gitarre ist entspannt und funky, ohne dabei etwas beweisen zu müssen, und der Großteil des Materials ist, anders als bei vielen Soul-Jazz-Alben jener Zeit, originell, weil Smith sechs der acht Nummern selbst geschrieben hat. Obwohl die Riffs oft eine Menge James Brown zu verdanken haben, ist die Musik definitiv mindestens so sehr im Jazz wie im Soul verankert.” Neben Smith-Originalen wie “I Can’t Stand It” und “Play It Back” interpretiert die Band mit Tenorsaxophonist Dave Hubbard, Baritonsaxophonnist Ronnie Cuber und Schlagzeuger Joe Dukes auf diesem Doppelalbum noch Coverversionen von Sly Stones' Nummer−1-Hit “Thank You (Falettinme Be Mice Elf Agin)” und Miles Davis' “Seven Steps To Heaven”.
Lee Konitz – Alone Together (1996)
Als so ziemlich alle anderen Altsaxophonisten massiv unter dem Einfluss von Charlie Parker standen, ragte Lee Konitz aus der Masse mit einem unverkennbar eigenen Stil heraus, den er sich bis heute bewahrte. Im Dezember 1996 betrat der großartige Altsaxophonist kurz nach seinem 69. Geburtstag die Bühne der Jazz Bakery in Los Angeles mit einem einzigartigen und ad hoc zusammengestellten Trio. In ihm traf Konitz auf den Bassisten Charlie Haden und den erst 26-jährigen Pianisten Brad Mehldau, der sich damals noch am Anfang seiner Karriere befand. Dabei entstanden die sublimen Live-Aufnahmen dieses Doppelalbums, dessen Repertoire aus sechs zeitlosen Standards besteht (darunter “Cherokee”, “What Is This Thing Called Love?” und “‘Round Midnight”). “Auf dem Papier bietet ‘Alone Together' einfach nur geradlinigen coolen Bop”, schrieb Stephen Thomas Erlewine im All Music Guide, “aber die drei Musiker sind allesamt so rastlos und erfinderisch, dass bei ihnen selbst die einfachsten Nummern der Scheibe lebhaft, schwungvoll und abenteuerlich klingen.” Genau ein Jahr später sollte dasselbe Trio am selben Ort mit “Another Shade Of Blue” noch ein zweites grandioses Live-Album für Blue Note einspielen.