Bei der Einspielung von “Samba De Maracatu”, seinem ersten Blue-Note-Album in 22 Jahren, musste Schlagzeug-Legende Joe Chambers ganz besonderes Improvisationstalent beweisen.
Joe Chambers - Samba de Macaratu
23.02.2021
So hatte sich Joe Chambers sein Comeback bei Blue Note ganz sicher nicht vorgestellt. Voller Vorfreude machte sich der beinahe 78-Jährige im März 2020 auf den Weg nach New York, um mit Pianist Rick Germanson und Bassist Ira Coleman (die ihn schon 2016 auf “Landscapes” begleitet hatten) endlich sein zweites Soloalbum für das historische Label einzuspielen. Das erste, “Mirrors”, hatte er dort geschlagene 22 Jahre zuvor aufgenommen. Doch plötzlich war in New York die Hölle los. Ein neues Virus wütete durch die Stadt und warf alle Pläne über den Haufen. Chambers kehrte postwendend zu seinem Wohnort Wilmington in North Carolina zurück, wo das Coronavirus zu diesem Zeitpunkt noch nicht Fuß gefasst hatte. Dort setzte er sich mit zwei lokalen Cracks – dem Pianisten Brad Merritt und dem Bassisten Steve Haines – in Verbindung, um das geplante Projekt mit ihnen nur wenige Wochen später vor Ort anzugehen: “Samba De Maracatu”, ein Jazzalbum mit einem dezidiert brasilianischen Touch, aber fernab aller Bossa-Nova-Clichés.
Das Repertoire, das Joe Chambers seinen Ad-hoc-Partnern bei den mit Masken und Sicherheitsabstand gemachten Sessions vorsetzte, war alles andere als ein Selbstläufer. Zunächst sind da die drei Eigenkompositionen, die er selbst zum Programm beisteuerte. “Samba De Maracatu” präsentierte Chambers erstmals 2016 auf dem bereits erwähnten Album “Landscape”, während er “Circles” 1984 für das Album “Collage” von Max Roachs Percussionensemble M’Boom geschrieben hatte. “New York State Of Mind Rain” wiederum basiert auf dem Stück “Mind Rain” von dem 1978er Album “Double Exposure” mit dem Organisten Larry Young, das der Rapper Nas 1994 für seinen Hit “N.Y. State Of Mind” gesamplet hatte. Für das neue Album überarbeitete es Joe mit seinem Sohn Fenton Chambers, der in der Nummer unter dem Alias MC Parrain auch als Rapper in Erscheinung tritt. Zwei andere Stücke stammen aus der Feder von Musikern, die Chambers in den 1960er Jahren bei zahlreichen Aufnahmen für Blue Note begleitet hatte: “Visions” ist von Bobby Hutcherson und “Rio” von Wayne Shorter. Und auch mit dem österreichischen Gitarristen Karl Ratzer, von dem er hier “Sabah el Nur” interpretiert, hatte Chambers einst zusammengearbeitet. Abgerundet wird das Programm durch drei Standards: “You And The Night And The Music” und “Never Let Me Go” (mit Gastvokalistin Stephanie Jordan) sowie den von Horace Silver geschriebene Jazz-Messengers-Klassiker “Ecaroh”.
Joe Chambers hatte auf etlichen progressiven Blue-Note-Alben der 1960er (darunter Wayne Shorters “Adams Apple”, Bobby Hutchersons “Components”, Freddie Hubbards “Breaking Point”, Joe Hendersons “Mode for Joe” und McCoy Tyners “Tender Moments”) nicht nur als Schlagzeuger, sondern auch ideenreicher Komponist Akzente gesetzt. Schon damals boten ihm die Labelgründer Alfred Lion und Francis Wolff an, ein Album unter eigenem Namen aufzunehmen. Doch das ließ Chambers’ übervoller Terminkalender einfach nicht zu. Auf “Samba De Maracatu” setzt sich Chambers vor allem als Vibraphonist in Szene. Mit dem Instrument hatte er sich Anfang der 1970er vertraut gemacht, als er zu Max Roachs M’Boom stieß. Hier setzt er es durchweg als führende melodische und improvisatorische Stimme ein. Während “Samba De Maracatu” kein brasilianisches Jazzalbum im engeren Sinne ist, verwendet der experimentierfreudige Chambers in mehreren Stücken verschiedene typisch afro-brasilianische Rhythmen und Perkussionsinstrumente.