Auf “Within The Song” zollt Gitarrist John Abercrombie den Künstlern und Aufnahmen Tribut, die ihn als jungen Musiker maßgeblich geformt haben. Dafür reist er musikalisch in die 1960er Jahre zurück und gibt als Referenzen insbesondere wichtige Einspielungen von Miles Davis, John Coltrane, Bill Evans, Ornette Coleman, Sonny Rollins und Jim Hall an. Auf seiner Zeitreise wird Abercrombie von Tenorsaxophonist Joe Lovano, Kontrabassist Drew Gress und Schlagzeuger Joey Baron begleitet.
Statt eines Tributs an einen Künstler eine Hommage an eine Epoche
“Manfred Eicher und ich haben schon seit geraumer Zeit darüber gesprochen, ein Album zu machen, das eine Hommage an einen bestimmten Jazzkünstler oder -komponisten sein könnte”, erzählt der Gitarrist. “Aber letztendlich zog ich es vor, die Ära in Augenschein zu nehmen, in der sich mein eigener Musikgeschmack herausbildete. Die Platten, die ich damals hörte, waren überwiegend Post-Bebop-Jazzalben, normalerweise von Künstlern, die die Formen – auf unterschiedliche Weise – erweiterten.” John Abercrombie und Joe Lovano gehen mit dem gleichen Einfühlungsvermögen vor wie die ursprünglichen Protagonisten, bringen aber natürlich auch ihre ganz eigene Kreativität ein. Beide spielen hier mehrfach absolut inspirierte Soli, wobei sie sich blind auf die brillante Unterstützung von Joey Baron und Drew Gress verlassen können.
Erleuchtung durch Sonny Rollins und Jim Hall
Das Album beginnt mit “Where Are You?”, einem Stück des Rollins-Klassikers “The Bridge”,. Aus derselben Quelle stammt auch “Without A Song”, das Abercrombie mit dem von ihm geschriebenen Titelstück des Albums zusammenschmiedete. “Als ich Sonny Rollins und Jim Hall auf ‘The Bridge’ hörte, war es für mich wie eine Erleuchtung”, erinnert sich Abercrombie. “Sie verdrehten mir einfach den Kopf. Als ich sie ‘Without A Song’ spielen hörte, dachte ich: ‘Das ist das Beste, was ich je gehört habe!’ Deshalb habe ich für dieses neue Album Songs geschrieben, die auf dieser Nummer basieren.”
Musikalische Zeitreise in die 1960er Jahre
Weitere Stationen auf der Zeitreise in die 1960er Jahre sind Bill Evans’ “Interplay”, Ornette Colemans “Blues Connotation”, Miles Davis “Flamenco Sketches”, John Coltranes “Wise One” und “Sometime Ago”, eine Nummer des argentinischen Komponisten Sergio Mahanovich, die Abercrombie durch eine Einspielung des Art Farmer-Jim Hall Quartet kennenlernte. “Das ist die Musik, die mich damals ansprach”, meint Abercrombie. “Als ich sie hörte, hatte ich das Gefühl, eine neue Heimat zu finden.”
Reflexionen aus einer zeitgenössischen Perspektive
Aus eigener Feder steuert der Gitarrist außerdem noch die Stücke “Easy Reader” (das natürlich eine musikalische Verbeugung vor dem Sixties-Filmklassiker “Easy Rider” ist) und “Nick Of Time” bei, die sich hervorragend in dieses Repertoire fügen, das nur oberflächlich betrachtet nostalgisch anmutet. Denn schließlich geht es John Abercrombie darum, “eine Ära zu feiern, als Musiker die etablierten Formen dehnten”. Und nicht anderes tun Abercrombie, Lovano, Gress und Baron hier, nur aus einer eindeutig zeitgenössischen Perspektive heraus.