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John Scofield, Steve Swallow & Bill Stewart – vor Spielwitz sprühend

Auf “Swallow Tales”, seinem ersten Soloalbum für ECM, interpretiert Gitarrist John Scofield mit Steve Swallow und Bill Stewart ausschließlich Kompositionen des einzigartigen Bassisten.
John Scofield
John ScofieldRoberto Cifarelli / ECM Records
11.06.2020
Auf “Swallow Tales” feiert Gitarrist John Scofield die Musik seines langjährigen Freundes und einstigen Mentors Steve Swallow. Die ausgesprochen extrovertierten und vor Spielwitz sprühenden Aufnahmen des Albums entstanden an nur einem Nachmittag im März 2019 in New York. Ganz im Stil der “alten Schule”, wie Scofield augenzwinkernd anmerkt. Dabei räumt der 68-jährige Gitarrist allerdings ein, dass “Swallow Tales” im Grunde das Resultat von mehr als vierzig Jahren Vorbereitung ist. Kennengelernt hatten sich die beiden Musiker nämlich in den 70er Jahren, als der 20-jährige Scofield sein Studium am Berklee College of Music begann. Swallow gehörte damals zum Lehrpersonal der weltweit renommierten Talentschmiede. Schon kurze Zeit später spielten sie das erste Mal miteinander, und haben es seitdem nicht mehr lassen können.
“Ich liebe diese Lieder”, sagt Scofield über die Auswahl der Swallow-Kompositionen, die er sich für diese Aufnahme vorgeknöpft hat. Das breite Spektrum umfasst sowohl Stücke, die sich zu Standards gemausert haben (etwa “Hullo Bolinas”, “Eiderdown”, “Falling Grace” und “Radio”), als auch weniger bekannte Werke des Bassisten. Der gute Draht zwischen Scofield und Swallow ist unüberhörbar. “Wenn wir zusammenspielen, ist es manchmal so, als spielten wir auf einer einzigen großen Gitarre, da der Basspart und mein Part so sehr miteinander in Einklang sind.”
Am Schlagzeug sitzt Bill Stewart, mit dem Scofield seit 1990 schon auf gut einem Dutzend Alben zusammengearbeitet hat. “Was Bill macht, ist mehr als nur ‘Schlagzeug spielen’”, sagt Scofield.  “Er ist eine melodische Stimme in der Musik, er spielt kontrapunktisch und begleitet, aber gleichzeitig swingt er auch ganz großartig.” Der Gitarrist selbst geht durchgehend mit Feuer und Phantasie zur Sache: “Diese beiden Giganten bringen in mir einfach das Beste zum Vorschein.”
Swallows Kompositionen, so sagt Scofield, “sind perfekte Vorgaben fürs Improvisieren. Die Changes sind immer interessant – aber nicht zu interessant! Sie sind in der Realität verankert, mit Kadenzen, die Hand und Fuß haben. Sie sind nie nur intellektuelle Übungen, und sie sind so melodisch. Es sind Lieder und eben nicht nur ‘Stücke’. Man könnte sie allesamt singen.”
“Swallow Tales” beginnt mit “She Was Young”, einem Lied, das Steve Swallow erstmals 1979 auf seinem ECM-Album “Home” präsentiert hatte, auf dem es damals von Sheila Jordan gesungen wurde. Eine Reihe der hier gespielten Nummern – darunter “Falling Grace”, “Portsmouth Configurations” und “Eiderdown” – gehörten ursprünglich zu dem Repertoire, das die Gary Burton Group (mit Larry Coryell an der Gitarre) in den 1960er interpretierte. Scofield, der diese Band von Anfang an bewundert hatte, studierte diese Songs in den frühen 1970er Jahren mit Burton und dem Komponisten. Zu diesem Zeitpunkt hatte Steve Swallow bereits den Wechsel vom Kontrabass zur Bassgitarre vollzogen und auf dem elektrischen Instrument eine unverwechselbar eigene Stimme gefunden.
Als John Scofield Anfang der 1980er Jahre mit seinen eigenen Alben “Bar Talk”, “Shinola” und “Out Like A Light” ins globale Scheinwerferlicht trat, hatte er sein Trio mit Steve Swallow und dem Schlagzeuger Adam Nussbaum besetzt. Bei ausgedehnten Tourneen in dieser Konfiguration vertieften Gitarrist und Bassist ihr musikalisches Verständnis. Die Alben weckten auch die Aufmerksamkeit von Miles Davis, der Scofield daraufhin in seine Band holte. Die enge Zusammenarbeit mit Swallow setzte John Scofield kontinuierlich fort. So erschien der Gitarrist beispielsweise 1991 auf Steves XtraWatt-Album “Swallow” und der Bassist wiederum auf zahlreichen Aufnahmen des Gitarristen – zuletzt 2016 auf dem Impulse!-Album “Country For Old Men”, auf dem auch Bill Stewart zu hören war.
John Scofield hat in mehr als vierzig Jahren Solokarriere eine Vielzahl stilistisch sehr unterschiedlicher Alben für so namhafte Jazzlabels wie Impulse!, Blue Note, Verve, EmArcy, Enja und Gramavision eingespielt. Auf ECM-Alben trat der Gitarrist bisher nur gelegentlich in Erscheinung. Aber wenn er es tat, dann war das Resultat stets herausragend. Zwei Alben nahm er als Mitglied von Bassist Marc Johnsons Band Bass Desires auf: “Bass Desires” (aufgenommen 1985) und “Second Sight” (1987). Komplettiert wurde das All-Star-Ensemble durch den Gitarristen Bill Frisell und den damals noch bei Weather Report aktiven Schlagzeuger Peter Erskine. Auf “Shades Of Jade”, einem dritten Marc-Johnson-Album, war Scofield 2004 an der Seite seines langjährigen Spielpartners Joe Lovano zu hören. Im selben Jahr entstand live in der Londoner Queen Elizabeth Hall das Doppelalbum “Saudades”, auf dem Scofield als Mitglied des Trio Beyond mit Jack DeJohnette und Larry Goldings zu hören ist. Das Projekt war eine Hommage an Tony Williams' Lifetime. “Swallow Tales” ist nun das erste ECM-Album, das den Gitarristen endlich als Bandleader präsentiert.